Das Ende meiner Texterkarriere
Dem Eingriff eines Kunden verdankte ich es auch, dass meine Laufbahn als Schreibsklavin ein abruptes Ende nahm. Es war nicht irgendein Kunde, sondern kein Geringerer als ComputerBild, dessen Präsenz bei Independent Publishing mich anfangs so verwundert hatte. Eines Tages wagte ich es und schnappte mir einen der 9-Euro-Aufträge, die ComputerBild dort zu vergeben pflegte. Es ging um das Thema „Ebay-Alternativen“. Ein erster Blick ins Netz ergab, dass jede Zeitung und jeder größere Blog bereits einen Artikel zu diesem Thema vorhielt und dass alle diese Artikel ziemlich uniform und langweilig waren: eine schlichte Aufzählung und Kurzbeschreibung der Auktionshäuser, die Ebay Konkurrenz zu machen suchten. Das kannst du besser, sagte ich mir, und nahm das Thema über einen privaten kleinen Test in Angriff. Ich gab mir Mühe und saß stundenlang über dem Artikel, doch bei ComputerBild kam er schlecht an: Ein anonymer Mitarbeiter bedeutete mir, ein persönlicher Aufhänger hätte bei Computerbild nichts zu suchen, und lehnte meinen Artikel ab. Besonders übel nahm er oder sie mein Fazit, dass es zu Ebay derzeit keine nennenswerten Alternativen gebe. „Die Autorin stellt Ebay als das beste Portal dar“, hieß es anklagend in dem Beschwerdebrief an das Team von Independent Publishing. Und das Team machte mit mir nicht viel Federlesens. In einem vorgefertigten Schreiben ließ man mich höflich bedauernd wissen, dass ich für diesen Artikel leider keine Vergütung erhalten könne. Der Kunde hat bekanntlich immer Recht.
Erst durch diese Ablehnung, die erste in meiner jungen Texterkarriere, wurde mir die absolute Rechtlosigkeit klar, in der sich ein Schreibagentur-Autor befand. Ich war in ein Loch des Rechtsstaats gefallen; Agenturen und Kunden konnten wirklich so ungeniert und uneingeschränkt mit mir umspringen wie mit einer Leibeigenen. Für uns Autoren gab es keine Justiz, schon deshalb nicht, weil die Beträge, um die wir geprellt werden, so gering sind, dass dafür kein Mensch vor Gericht zieht. Für uns gab es weder Gewerkschaft noch Betriebsrat, weil die strikte Anonymität, die in dieser Branche Bedingung ist, uns nicht nur von den Arbeitgebern, sondern auch untereinander isoliert. Und die Politik, die gab es für uns schon gar nicht. Ich glaube kaum, dass irgendein Politiker weiß, was das Wort Online-Textagentur bedeutet. Politiker weinen zwar um jede Friseuse, die einen Stundenlohn von 6,50 Euro bekommt (oh, das wäre ein Traumhonorar für den Autor einer Schreibagentur!), doch was im Internet geschieht, ist für sie lediglich verschwommenes „Neuland“ jenseits der Welt, in der sie agieren. Darum funktioniert das System, und darum können die Betreiber von Textagenturen in ihrem Imperium herrschen wie Despoten: weil sie niemand daran hindert. Soziales Gewissen gibt es offenbar nur, wenn eine Öffentlichkeit dafür vorhanden ist.
Ich nahm diese Erkenntnis zum Anlass, mich endgültig von einem Gewerbe zu verabschieden, das ohnehin nicht geeignet war, mir meine Monatsmiete zu sichern. Die Agenturen nahmen es vermutlich gelassen; an Autoren herrschte schließlich kein Mangel. Und wer weiß: Wären die Prämissen und die Honorare fairer gewesen, womöglich wäre auch ich noch dabei, denn das Jobkonzept als solches ist modern und hat durchaus Potenzial. Es steckt nur leider noch in der Phase des unbewachten Raubkapitalismus. Darum möchte ich, bevor ich diese Episode meines Lebens schließe, noch ein bisschen träumen von einer alternativen Schreibagentur: einer Schreibagentur, in der die Autoren selbst das Sagen haben. In der sie als Produzenten den Gewinn einstreichen, statt mit 10 % abgespeist zu werden. In der Mindesthonorare und Autorenrechte garantiert sind. In der Transparenz herrscht und die Arbeitspartner einander kennen. Wer gründet eine solche Textagentur? Open-Sourse-Verfechter, Netzpioniere, wie wärs? Hier wartet eine echte Herausforderung!
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