Nun heißt es, wieder ganz von vorn anfangen. Einen Rückweg in die alte Heimat und den alten Wohlstand gibt es nicht, dafür fünf Kinder, die ernährt sein wollen. In der Nähe von Lübeck kann die Familie mit viel Glück ein Häuschen ergattern, doch das Geld, das man verdient, reicht vorn und hinten nicht. Die Finckensteins führen einen täglichen Kampf mit dem Hunger und den widrigen Lebensumständen, und sie entfalten dabei eine erstaunliche Lebenstüchtigkeit. Besonders Eva läuft zu großer Hochform auf, versorgt die Kinder, nimmt ihre Tätigkeit als Redakteurin wieder auf und findet dabei sogar noch die Zeit, sich in der Politik zu engagieren: Sie wird Mitbegründerin des „Bundes der Heimatvertriebenen und Entrechteten“, einer stark rechtsgerichteten Partei, die gerade in Schleswig-Holstein, dem Land mit dem höchsten Bevölkerungsanteil an Flüchtlingen im gesamten Bundesgebiet, in jenen Jahren großen Zulauf hat. Hier macht Eva rasch Karriere, und als sie 1953 gar in den Bundestag gewählt wird, sind die Hungerjahre für die Familie vorbei. Die Finckensteins sind angekommen in der Bundesrepublik.
Auch Ottfried Graf Finckenstein hofft auf ein Comeback in der ihm fremden neuen Zeit. Über Jahre arbeitet er an einem ehrgeizigen Romanprojekt: „Schwanengesang“ ist ein melancholischer Rückblick auf die verlorene Heimat seiner Jugend. Der Roman ist als erster Teil einer großen Trilogie konzipiert, die zeitlich bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs fortgesponnen werden soll; und dabei geht es Finckenstein auch um eine geistige Auseinandersetzung mit der Ideologie des Nationalsozialismus, einem Thema, das ihn anhaltend und schmerzlich beschäftigt. Was er in jenen Nachkriegsjahren über die Verbrechen des Hitlerregimes erfuhr, hat ihn in eine tiefe Krise gestürzt. Lange Zeit kann er nicht damit fertig werden, dass auch er ein Teil dieses verbrecherischen Apparates gewesen war. Das will er seinen Lesern zur Diskussion stellen.
Aber Finckenstein hat keine Leser mehr: „Schwanengesang“ floppt auf dem deutschen Buchmarkt, und der Verlag verzichtet auf die Herausgabe weiterer solcher Bücher. Es liegt nicht daran, dass man Finckenstein als „belasteten“ Nazi-Autor einstuft. In den Kreisen, wo er sich bewegt, wirft ihm kein Mensch seine Vergangenheit vor. Doch die melancholischen Heimatromane, die so gut zur Blut-und-Boden-Ära passten, sind in der Nachkriegszeit nicht mehr gefragt. Autoren wie Borchert, Böll und Grass bestimmen jetzt das literarische Leben. Ottfried Graf Finckenstein ist als Autor passé.