Eine Anfrage und ihre Spätfolgen
Im fernen Jahre 2008 war ich beim Internetsurfen auf den Kölner Maler Aladin E. gestoßen, der in seinem Onlineshop zu kleinen Preisen Öl- und Acrylbildchen sowie auch Computergraphiken feilbot. Damals gestaltete ich gerade einen philosophischen Kalender namens „Jenseits“, in dem ich verschiedene Jenseits- und Utopie-Vorstellungen der Menschheit von der Antike bis zur Gegenwart Revue passieren ließ. Für das Cover suchte ich als Hintergrund der Titelzeile ein neutrales, quasi über-zeitliches Jenseits-Motiv. In der Fülle der Angebote fand sich auch eine Computergraphik von Aladin E., die ein Gewässer im Sonnenuntergang sowie ein kleines Papierschiffchen zeigte. Der verschwimmende Horizont erschien mir für meine Zwecke geeignet, und so schrieb ich diesem Maler – wie auch etlichen anderen, die in Frage kamen – eine Mail und fragte an, ob ich eines seiner Bilder für meinen Kalender verwenden dürfe. Er schrieb zurück, sicher dürfe ich das, und damit hielt ich in meiner Einfalt die Rechtefrage für geklärt.
Ich weiß noch, dass ich damals mit verschiedenen Titelbildentwürfen experimentierte. Aladins Wasserbild fiel dabei durch den Rost, vermutlich weil mir das Papierschiffchen für meine Zwecke zu banal erschien. Doch am Ende habe ich tatsächlich einen kleinen, vielleicht 10%-igen Ausschnitt des Bildes, nämlich die verschwimmende Horizontlinie, als Hintergrund des Jenseits-Schriftzuges in mein Coverbild integriert, und mit diesem Cover erschien im Jahre 2008 der Jenseits-Kalender. Zwar floppte er bei der Erstausgabe, doch ich ließ ihn, wie alle meine Kalender, kurzerhand unter derselben ISBN-Nummer im Verzeichnis lieferbarer Bücher stehen, um ihn während der folgenden Jahre jeweils als Nachauflage anzubieten.
Und nun, mehr als fünf Jahre später, fiel es Aladin E. plötzlich ein, seine Rechte an dem Coverbild zu reklamieren. Wie war er dazu gekommen? Im weiteren Recherchieren fand ich heraus, dass ich vermutlich selbst daran schuld war. Ich hatte seinerzeit Aladin E. als freundlichen Arbeitskontakt in meinen Werbeverteiler aufgenommen; schließlich war nicht absehbar, dass er mich fünf Jahre später derart übel linken würde. Während all der Jahre hatte er ein- bis zweimal pro Jahr von mir Werbepost bekommen – oft mit eben dem Titelcover angereichert, dessentwegen er mich jetzt verklagte. Eines Tages musste es ihm aufgefallen sein. Oder wusste er längst Bescheid? War es ein akuter Geldmangel, der ihn aus diesem Wissen Kapital schlagen hieß? Hatte ihn jemand darauf hingewiesen, wie viel Geld man hierzulande eintreiben kann, wenn man sich als Opfer einer Urheberrechtsverletzung darstellt? Bei diesem Fall liegt einiges im Dunkeln. Aladin E. muss 2008 ein anständiger Mensch gewesen sein, das geht aus seiner Mail hervor. Doch den Chancen, die das deutsche Urheberrecht ihm hier plötzlich bot, konnte er offenbar nicht widerstehen. Jedenfalls unternahm er keinen Versuch, die Sache mit mir persönlich zu klären. Er lief ungesäumt zum Abmahnanwalt mit dem Ziel, eine fünfstellige Summe zu erlangen.
Natürlich machte ich geltend, dass mir sehr wohl die Zustimmung des Malers für die Verwendung des Bildes vorlag. Ich bearbeitete auch sofort das Coverbild, ersetzte Aladins Horizontlinie kurzerhand durch das Ufer des Müggelsees – eine Arbeit von wenigen Minuten – und erklärte meinen Verzicht auf die weitere Verwendung des Bildausschnittes. Doch wer einmal in die Klauen eines Abmahnanwalts geraten ist, kommt so leicht nicht wieder frei. Die Gegenpartei zog vor Gericht und klagte auf eben die Unterlassung, die ich im Vorfeld längst vollzogen hatte. Der Rechtsstreit ging gleich vor das Landgericht, denn aufgrund der hohen Kostbarkeit des streitgegenständlichen Gemäldes wurde der Streitwert auf insgesamt knapp 20.000 € festgesetzt.