Schweden hat sich in den letzten zwei Jahren von der Lockdown-Hysterie der Welt nicht beeindrucken lassen. Heute ist das Land fast coronafrei. Was genau haben die Schweden richtig gemacht?

Als im Frühjahr 2020 die Nachricht vom „schwedischen Corona-Sonderweg“ um die Welt ging, gab es allenthalben Kopfschütteln und abschätzige Kommentare. Kein Lockdown, keine Maskenpflicht und kaum Beschränkungen im öffentlichen Leben? Die mussten verrückt sein, diese Schweden.

Namentlich die deutschen Medien meinten sehr genau zu wissen, dass ein derart waghalsiges Vorgehen nur in die Katastrophe führen konnte; und eine Zeitlang schien die Entwicklung ihnen durchaus Recht zu geben: Die Corona-Fallzahlen in Schweden gingen durch die Decke, die Inzidenzen lagen weit höher als in Deutschland, und die Todesstatistik bot ein übles Bild. „Schwedischer Sonderweg gescheitert!“, konstatierte genüsslich die deutsche Presse. Man berief sich auf schwedische Experten, die den bodenlosen Leichtsinn der Verantwortlichen vernichtend kritisierten. Besonders gern wurde der schwedische König zitiert, der unter Missachtung des Grundprinzips, sich in politische Fragen nicht einzumischen, mit ungewöhnlich scharfen Worten den Pandemiekurs der Regierung verurteilte. ("Ich glaube, wir haben versagt. Viele Menschen sind gestorben und das ist furchtbar. Das schwedische Volk hat enorm gelitten.") Die Botschaft an uns alle war klar: Liebe Bürger, es geht nicht ohne Lockdown. Seid froh, dass unsere Regierung die Weisheit besitzt, den einzig möglichen Weg zu erkennen und das Volk, ob es will oder nicht, zu beschützen.

Im Sommer und Herbst 2021 ist den deutschen Journalisten die Häme vergangen, denn während in Deutschland ungeachtet ständig verschärfter Hygienemaßnahmen machtvoll die vierte Coronawelle ausbrach, gingen in Schweden die Fallzahlen zurück, die Inzidenzen lagen zeitweise unter 50. Ende September wurde „Freedom Day“ gefeiert; man saß im Restaurant und zählte den Countdown herunter wie zu Silvester, bevor man mit Champagner und Wein auf die neu gewonnene Freiheit anstieß, auf ein Leben ohne Masken, ohne ständige Vorsicht und Furcht. 

Das war verfrüht: Im Januar 2022 hat die Omikron-Variante auch in Schweden die Inzidenzen wieder steigen lassen. Doch sie gingen auch diesmal weitaus schneller zurück als in vergleichbaren europäischen Ländern und liegen derzeit (Stand März 2022) unter 100, während sie Deutschland um zweitausend betragen. Heute würde niemand mehr sagen, der schwedische Sonderweg sei gescheitert. Vielmehr wird mit Verwunderung und zunehmend nachdenklich konstatiert, dass Schweden weitaus besser dasteht als Deutschland, obwohl dort nie die Einschränkungen walteten, die uns hierzulande das Leben vergällen. Was ist hier passiert? Dass die Schweden „richtig“ lagen, der Rest der Welt dagegen „falsch“, ist für die meisten deutschen Journalisten undenkbar. Aber wie ist dann das Phänomen zu erklären? Was hat die schwedische Strategie so überraschend effektiv gemacht?

 

Es ist nicht leicht, als Deutsche ohne Schwedischkenntnisse über diese Frage zu recherchieren. Zwar fehlt es nicht an deutschen Berichten aus dem Schweden der Pandemiezeit, doch sie sind größtenteils tendenziell verfärbt und getragen von dem Wunsch, den schwedischen Erfolg zu bagatellisieren respektive klarzustellen, dass die deutsche Coronapolitik nichtsdestotrotz die einzig richtige ist. Agitation und Propaganda, die übelsten Begleiter der deutschen Pandemie, bestimmen auch in diesem Punkt den Tenor der staatsnahen Medien. Dass es den Schweden vergleichsweise gut geht, obwohl sie nicht über die deutsche Strenge im Umgang mit der Pandemie verfügen, wird schlicht als Ärgernis empfunden; und Ärgernisse analysiert man nicht gern, jedenfalls nicht, wenn die eigenen Fehler dadurch bloßgelegt werden könnten.

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