Katja SternMeine Mutter Katja Stern (1924-2000) wuchs als „Marie Sidonie Käthe Beyer“ in Dresden auf. Ihr Vater war Schlosser, kaum des Schreibens mächtig, ihre Mutter ein ehemaliges Dienstmädchen mit höheren Ambitionen – ein ungleiches Paar, das sich häufig zankte und an chronischer Geldnot litt. Trotzdem gelang der aufgeweckten Tochter der Abschluss des Lyzeums und der Handelsschule wie auch die frühe Loslösung aus dem muffig-beengten Elternhaus. Die Schrecken des Kriegsendes – Käthe erlebte hautnah die Bombardierung Dresdens am 13. Februar 1945 – und die Gräueltaten des Hitlerregimes, die in der Folge aufgedeckt wurden, politisierten das junge Mädchen: Käthe wurde Kommunistin.

Die DDR ermöglichte dem „Arbeiterkind“ einen raschen gesellschaftlichen Aufstieg. Käthe absolvierte die ABF, studierte in Leipzig Journalistik und fand Anstellung beim „Neuen Deutschland“.

Dort schrieb sie 1953 den Artikel, der zum wichtigsten ihrer gesamten journalistischen Laufbahn werden sollte: „Es wird Zeit, den Holzhammer beiseite zu legen“ – ein kritischer Bericht über die Bauarbeiter in der Stalinallee, der nicht unwesentlich dazu beitrug, den Aufstand des 17. Juni auszulösen. (Wie es dazu kam, lesen Sie hier.)

Zu diesem Zeitpunkt war bereits aus Käthe Beyer Katja Stern geworden, eine verheiratete Frau und Mutter zweier Töchter, doch das Familienleben hinderte sie nicht, ihre Karriere fortzusetzen. Sie bekleidete als Fernsehkritikerin einen wichtigen Posten in der Kulturredaktion des „Neuen Deutschland“ und wurde schließlich in das leitende Kollegium der Zeitung aufgenommen, wo sie für „Kaderfragen“ zuständig, also auf neudeutsch Personalchefin war.

Hochgeehrt und mit den Liebesbeweisen ihrer Mitarbeiter überschüttet, ging sie Mitte der 1980er Jahre in Rente, erlebte jubelnd die Maueröffnung und nahm mit Engagement an den Freuden und Leiden des wieder vereinigten Deutschland teil. Aber nach dem Tod ihres Mannes 1995 nahm ihr Leben eine schlimme Wendung: Sie erkrankte schleichend an Demenz und war bald nicht mehr in der Lage, sich selbst zu versorgen. Sie starb in völliger geistiger Umnachtung.