Der Essay "Das Heldentum der Mittelmäßigkeit" zur Figur der Dorothea Brooke in George Eliots Roman "Middlemarch" entstand Mitte der 1980er Jahre, als ich mich in einer Phase großer literaturtheoretischer Ambitionen befand. Ein volles Jahr lang folgte ich hingegeben einer bestimmten Konstellation in George Eliots Middlemarch-Roman, ohne mich groß darum zu kümmern, wen das interessierte und wen nicht.
Dann war der Text fertig, recht wohl geraten, aber bis heute kaum zu verkaufen. George Eliot ist hierzulande weitgehend unbekannt, und ich bin es auch – dieser Zusammenklang ist fatal. Seither ist meine Lust an längeren literaturtheoretischen Arbeiten gedämpft. Die Mühe, die sie bereiten, steht zu einer möglichen Anerkennung in einem noch weit krasseren Missverhältnis, als dies für gewöhnlich schon beim Schreiben der Fall ist.
Als Fernstudentin am Literaturinstitut Leipzig schrieb ich einen Essay über Tschechows Erzählung „Herzchen“ und trug ihn bei einer Lesung unter großem Beifall vor. Die NDL erbot sich, den Text zu drucken, verlangte dann jedoch so viele Abmilderungen und Änderungen, dass sich die Veröffentlichung wieder zerschlug.
Statt dessen trat aus Hamburg eine Literaturwissenschaftlerin namens Christel Hildebrandt auf den Plan, die gerade einen Sammelband mit Texten von und über DDR-Autorinnen zusammenstellte und mich um einen Beitrag bat. Ich bot ihr den Herzchen-Essay an, und 1988 kam der Band mit diesem Beitrag heraus ("Herzchen '88 - Gedanken zu einer Tschechow-Erzählung"). An Honorar war selbstverständlich nicht zu denken, aber damals bedeutete es für einen Autor schon eine höhere Weihe, überhaupt im Westen veröffentlicht zu werden.
Wenn ich den Text heute überlese, kommt er mir doch ziemlich unreif, fast wie eine Jugendsünde vor. Trotzdem trage ich kein Verlangen, ihn zu überarbeiten, denn gerade in seiner Unreife ist er eine Art Dokument.
Der Essay "Die ungelebte Zukunft Georg Büchners" entstand um 1983 als „Hausarbeit“ für mein Fernstudium am Leipziger Literaturinstitut. Die Fragestellung lautete: Was hätte aus Büchner werden können, wenn er alt geworden wäre? Genre und Gestaltung waren freigestellt, und da ich schon immer gern Essais schrieb, entschied ich mich für diese Form.
Der Text wurde 1985 in der Leipziger Literaturzeitschrift „Erwägungen“ abgedruckt und dort Jahrzehnte später von Professor Dietmar Goltschnigg entdeckt, als er das Material für die dreibändige Sammlung „Georg Büchner und die Moderne“ zusammentrug. Er nahm den Aufsatz in den dritten Band der Sammlung auf, wo er einen sehr schönen Platz genau zwischen Heiner Müller und Friedrich Dürrenmatt einnimmt – fraglos ein Lorbeerblatt in meinem Dichterkranz, auch wenn die Leserschaft des Werkes vermutlich begrenzt ist.