Zweite Pleite: Das Schlitzohr
Nicht viele Bewerber waren bereit, mir in der bereits laufenden Woche einen Umzugstermin zu geben, und von diesen konnte und wollte ich nur den Allerbilligsten engagieren. Zeitdruck plus Sparzwang, das ergab eine äußerst fatale Kombination. Für sondierende Kennlerngespräche und sorgsame Erwägungen blieb keine Zeit; gleich am Telefon wurde der Preis bestimmt und ein Termin für die Übergabe der Umzugskisten anberaumt. Schon am nächsten Tag stand der Auserwählte mit vierzig Kisten vor meiner Tür. Es war ein Einzelunternehmer, wie sich so viele in der Branche tummeln, aus einem südlichen Land gebürtig; ich will ihn hier einfach „das Schlitzohr“ nennen. Am Telefon hatte er nett gewirkt, doch die persönliche Bekanntschaft weckte Zweifel an der Klugheit meiner Wahl. Mit einem Blick auf das Umzugschaos erkannte das Schlitzohr meine Lage und wusste sie für sich auszunutzen. Plötzlich stand ein ganz anderer Preis als der telefonisch vereinbarte im Raum. Endpreis? Hatte er wirklich Endpreis gesagt? Aber nein, da war natürlich der Bruttopreis gemeint. Die Mehrwertsteuer komme noch hinzu – ach, hatte er das nicht erwähnt? Aber bitte schön, wenn mir das nicht recht sei, er könne mit den Kisten auch gern wieder gehen.
Es war vor allem der Anblick dieser Umzugskisten, der mich in die Knie gehen ließ. Seit Tagen kam ich mit dem Umzug nicht mehr weiter, weil mir Kisten zum Verstauen meines Hausrats fehlten. Wenn ich das Schlitzohr jetzt wieder ziehen ließ, verlor ich mindestens noch einen weiteren Tag. Wie sollte ich dann meinen Zeitplan halten? Ich gab also nach und setzte meine Unterschrift unter den Vertrag. Warum auch nicht? Das Schlitzohr mochte windig sein, doch wie die Dinge lagen, kam es nur noch darauf an, dass meine Siebensachen rechtzeitig von A nach B befördert wurden, und das sollte der Mann ja wohl schaffen.
Doch dieses Kalkül erwies sich als falsch. Schon als der Umzugswagen auf der Bildfläche erschien, erfasste mich ein mulmiges Gefühl: War der nicht viel zu klein für mein Hab und Gut? Ach was, tönte das Schlitzohr, der reiche voll aus, ich würde staunen, was da alles reinging! Zwei Stunden später war klar absehbar, dass der Wagen nie und nimmer das ganze Umzugsgut fassen würde. Also zog mich das Schlitzohr auf den Balkon und erklärte, er müsse jetzt leider weg und bitte deshalb schon mal um die Bezahlung des Umzugs. Er strich das Geld ein und ließ mich mit seinen drei Angestellten allein. Die beluden zwar den Wagen bis unters Dach, doch etliche Möbelstücke blieben in der alten Wohnung zurück.
Natürlich wollte ich das nicht hinnehmen. In den nächsten Tagen bombardierte ich das Schlitzohr mit Anrufen, berief mich auf den Umzugsvertrag und verlangte mit Nachdruck einen zweiten Transport. Das Schlitzohr hielt dagegen, ich hätte falsche Angaben zum Umfang des Ladeguts gemacht. Wenn ich einen zweiten Transport wolle, müsse ich ihn extra bezahlen. Abermals kam es zu einer unerquicklichen Feilscherei, und abermals zog ich dabei den Kürzeren: Ich zahlte extra für den zweiten Transport.
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