Dritte Pleite: Die Erpressung

Doch sein wahres Gesicht zeigte das Schlitzohr erst, als ich Wochen später seinem Unternehmen eine schlechte Internet-Bewertung gab. Noch am selben Tag erreichten mich zwei wütende Mails: Wenn ich diese Bewertung nicht sofort zurückziehe, drohte das Schlitzohr, werde er mir eine Rechnung zukommen lassen! Was für eine Rechnung?, fragte ich mich. Und dann fiel es mir ein: die Szene auf dem Balkon, als das Schlitzohr mit dem Hinweis, er müsse jetzt weg, die sofortige Bezahlung des Umzugs verlangte. Der Umzug war in vollem Gange, alles musste sehr, sehr schnell gehen. Ich hatte ihm das Geld in die Hand gedrückt, ohne eine Quittung dafür zu verlangen. Dafür bekam jetzt ich die Quittung, für meinen Leichtsinn und für meine Dummheit: Das Schlitzohr machte seine Drohung wahr und schickte mir eine Rechnung über die gesamten Umzugskosten.

Abermals war ich überrascht von dem rabiaten Potential, das die Branche der Umzugsunternehmer bereithielt. Ich hatte das Schlitzohr bisher durchaus nicht für kriminell, nur für windig gehalten. Doch mit Betrug und Erpressung hatte er die Grenze zur Kriminalität eindeutig überschritten, und er hatte das ohne Skrupel getan, wahrscheinlich nicht zum ersten Mal. Würde er vor Gericht mit seiner Rechnung durchkommen? Ich glaubte es im Grunde nicht. Die Rechnung wurde immerhin erst einen Monat nach dem Umzug gestellt und war ganz offenkundig an die Drohmail und an die Forderung gekoppelt, die schlechte Bewertung zurückzuziehen. Doch keine Quittung heißt keine Quittung – ich konnte keineswegs sicher sein, wie ein Rechtsstreit ausgehen würde.

Ich versuchte, mit dem Mann zu reden. Es kam zu mehreren Telefonaten, bei denen das Schlitzohr flehte und drohte. Die schlechte Bewertung schien für ihn eine wirkliche Geschäftsschädigung zu bedeuten; und wenn ich im Zuge eines Rechtsstreits den Erpesssungsversuch auch noch öffentlich machte, würde das sein Unternehmen vermutlich ernstlich in Frage stellen. Ich begann mich zu fragen, ob diese Bewertung soviel beiderseitigen Ärger wert war. Und am Ende entschloss ich mich, eine Eskalation zu vermeiden und die Bewertung zurückzuziehen.

Die Entscheidung fiel mir schwer, denn es stand zu vermuten, dass das Schlitzohr nicht nur mich, sondern auch noch andere Kunden auf diese Art betrogen hatte. Und zweifellos würde er sich durch meinen Rückzieher ermutigt fühlen, diese Erpressungsmasche bei zukünftigen Kunden gleichfalls zu probieren. Dass mein Entschluss auch seinen Interessen entsprach – falls es denn so war und ich mir das nicht aus Bequemlichkeit einredete –, vermochte er wohl kaum zu begreifen. Er würde einfach einen Sieg darin sehen. Und trotzdem mag ich mir nur ungern vorstellen, wie mein Sieg in dieser Sache ausgesehen hätte.

So wurde mir der Umzug zur doppelten Pleite und hinterließ einen doppelt üblen Nachgeschmack. Ich hoffe, dass ich nicht so bald wieder mit der Umzugsbranche zu tun haben werde. Wenn aber doch, habe ich viel gelernt.

Achtung! Vom selben Thema handelt auch den Ratgeber-Artikel "Umzugsbetrüger - Begegnung mit ener gefährlichen Branche".

 

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