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1978 landete die knapp zwanzigjährige Kate Bush mit ihrer Ballade "Wuthering Heights" auf Anhieb einen Megahit und wurde über Nacht zum Star. Der Song nimmt Bezug auf den gleichnamigen Roman der britischen Autorin Emily Bronte.
Zwei Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können, sind die Schöpferinnen dieses Songs: Emily Bronte und Kate Bush.
Über das Leben der Emily Bronte gibt es nicht allzu viel zu sagen. Sie lebte im 19. Jahrhundert auf einem nordenglischen Hof, versorgte das Haus, tagein, tagaus, fütterte die Tiere und saß abends am Schreibtisch. Sie galt als schroff und unzugänglich, hatte Scheu vor Fremden und konnte sich nur innerhalb der Familie öffnen. Sie hat niemals geheiratet und ist schon mit dreißig Jahren gestorben.
Aber sie hinterließ einen Roman, der ihr das ewige Leben sicherte: „Wuthering Heights“, zu deutsch „Die Sturmhöhe“. Man muss das Buch mit vierzehn, fünfzehn lesen, da ist es die ideale Lektüre: zerstörerische Liebe, wilde Charaktere, Abgründe menschlicher Leidenschaften, und das alles vor der Kulisse der spröden nordenglischen Heidelandschaft. Als junges Mädchen habe ich förmlich in dieser Heidelandschaft gelebt. „Wuthering Heights“ gehörte zu den aufregendsten Büchern meiner Jugend. Zuzeiten hätte ich ganze Dialogpassagen auswendig herunterbeten können.
Jahre später erfuhr ich, dass es offensichtlich auch noch andere junge Mädchen gab, die von „Wuthering Heights“ fasziniert waren: Eine junge britische Sängerin namens Kate Bush hatte für ihre erste Single-Platte einen Song namens „Wuthering Heights“ aufgenommen und war damit in den Charts durch die Decke gegangen.
Kate Bush ist eine Singer-Songwriterin. Schon als Kind schrieb sie Gedichte, und später erfand sie Melodien dazu. Ihr Talent wurde früh erkannt und gefördert, doch als sie ihre erste Single den Studiobossen von EMI präsentierte, zogen sie die Köpfe ein: Dieser kreischige Sopran, dieser wirre Text, diese schräge Präsentation, konnte das gut gehen? Nur zögernd wagten sie das Experiment. Doch „Wuthering Heights“ wurde nicht nur zu einem internationalen Nummer-Eins-Hit, sondern auch zu einem Dauerbrenner, der bis heute viel gespielt wird. Die EMI-Bosse konnten zufrieden sein.
In ihrem Song lässt Kate Bush den Geist der unglücklichen Catherine Earnshaw sprechen, der weiblichen Hauptfigur aus Emily Brontes Roman. Der Songtext nimmt Bezug auf eine Szene aus der Anfangssequenz des Romans: Die tote Catherine findet keinen Frieden im Grab, sie klopft in stürmischer Nacht ans Fenster, begehrt Einlass in Wuthering Heights, will die Erlösung durch ihren Geliebten. Ich behaupte nicht, dass der Text grandios ist; doch er schlägt für den, der das Buch kennt und liebt, eine traute und berührende Saite an, trägt den archaischen Inhalt in die Gegenwart hinüber, so wie auch die musikalische Interpretation, wildromantisch und modern zugleich, eine Brücke schlägt zwischen der flammenden Gefühlswelt der Emily Bronte und der schrillen, bunten Rockszene der späten 1970er Jahre. Der große Erfolg des Wuthering-Heights-Songs ist natürlich nicht allein auf das gewählte Sujet zurückzuführen; doch ich bin überzeugt, dass dieser Faktor sehr stark ins Gewicht fällt, stärker als bei anderen Songs. Emily Brontes Roman ist gerade im englischen Sprachraum sehr bekannt, auch aufgrund diverser Verfilmungen; hier dürfte es etliche Leute geben, die sich beim Anhören von „Wuthering Heights“ an die Lektüre ihrer Jugend erinnert fühlen.
Kate Bush ist mit diesem Song ein Star geworden, und über ihr Leben gäbe es mittlerweile sehr viel zu sagen: Tourneen, Alben, Auszeichnungen… Es ist schwer zu glauben, dass zwischen ihr und der introvertierten Emily Bronte jemals eine Verbindung bestand. Und dennoch ist es so: Die Abgeschiedenheit der Emily Bronte bildete die Basis für den Starruhm der Kate Bush. In der Stille von Haworth wurde ihr kreischender Megaerfolg geboren.
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