Wie das Kölner Landgericht einen Urheberrechtsverstoß von 2008 ahndete und dabei eine Computergraphik zum Kunstwerk erhob.

Post vom Abmahnanwalt gehört mittlerweile zu den großen Alpträumen unserer Zeit. Mich ereilte er im Herbst 2013. Ein Abmahnanwalt aus Köln ließ mich wissen, ich hätte die Urheberrechte seines Mandanten, des Malers Aladin E. verletzt, indem ich ohne dessen Erlaubnis und Wissen ein Bild von diesem veröffentlicht hätte. Das Bild sei 15.000 € wert, und das sei auch die Basis für den Streitwert in diesem Rechtsfall. Der Mandant könne sich jedoch unter Umständen auch mit 10.000 € begnügen. Wenn ich bereit sei, diese Summe zeitnah an ihn zu überweisen, zuzüglich eines reichlich bemessenen Anwaltshonorars natürlich, und eine Unterlassungserklärung bezüglich der Verwendung des Bildes abzugeben, werde Aladin E. kulanterweise von einer weiteren Rechtsverfolgung absehen.

Ich hatte erst mal nicht die leiseste Ahnung, wovon hier überhaupt die Rede war. Aladin E.? Nie gehört. Es bedurfte erst einer umständlichen Recherche in meinem Altmailarchiv, bis sich mir die Zusammenhänge erhellten – nicht aus eigener Erinnerung, doch aus der Rekonstruktion des Ablaufs, wie die nachweisbaren Fakten ihn nahelegten.

 

Eine Anfrage und ihre Spätfolgen

Im fernen Jahre 2008 war ich beim Internetsurfen auf den Kölner Maler Aladin E. gestoßen, der in seinem Onlineshop zu kleinen Preisen Öl- und Acrylbildchen sowie auch Computergraphiken feilbot. Damals gestaltete ich gerade einen philosophischen Kalender namens „Jenseits“, in dem ich verschiedene Jenseits- und Utopie-Vorstellungen der Menschheit von der Antike bis zur Gegenwart Revue passieren ließ. Für das Cover suchte ich als Hintergrund der Titelzeile ein neutrales, quasi über-zeitliches Jenseits-Motiv. In der Fülle der Angebote fand sich auch eine Computergraphik von Aladin E., die ein Gewässer im Sonnenuntergang sowie ein kleines Papierschiffchen zeigte. Der verschwimmende Horizont erschien mir für meine Zwecke geeignet, und so schrieb ich diesem Maler – wie auch etlichen anderen, die in Frage kamen – eine Mail und fragte an, ob ich eines seiner Bilder für meinen Kalender verwenden dürfe. Er schrieb zurück, sicher dürfe ich das, und damit hielt ich in meiner Einfalt die Rechtefrage für geklärt.

Ich weiß noch, dass ich damals mit verschiedenen Titelbildentwürfen experimentierte. Aladins Wasserbild fiel dabei durch den Rost, vermutlich weil mir das Papierschiffchen für meine Zwecke zu banal erschien. Doch am Ende habe ich tatsächlich einen kleinen, vielleicht 10%-igen Ausschnitt des Bildes, nämlich die verschwimmende Horizontlinie, als Hintergrund des Jenseits-Schriftzuges in mein Coverbild integriert, und mit diesem Cover erschien im Jahre 2008 der Jenseits-Kalender. Zwar floppte er bei der Erstausgabe, doch ich ließ ihn, wie alle meine Kalender, kurzerhand unter derselben ISBN-Nummer im Verzeichnis lieferbarer Bücher stehen, um ihn während der folgenden Jahre jeweils als Nachauflage anzubieten.

Und nun, mehr als fünf Jahre später, fiel es Aladin E. plötzlich ein, seine Rechte an dem Coverbild zu reklamieren. Wie war er dazu gekommen? Im weiteren Recherchieren fand ich heraus, dass ich vermutlich selbst daran schuld war. Ich hatte seinerzeit Aladin E. als freundlichen Arbeitskontakt in meinen Werbeverteiler aufgenommen; schließlich war nicht absehbar, dass er mich fünf Jahre später derart übel linken würde. Während all der Jahre hatte er ein- bis zweimal pro Jahr von mir Werbepost bekommen – oft mit eben dem Titelcover angereichert, dessentwegen er mich jetzt verklagte. Eines Tages musste es ihm aufgefallen sein. Oder wusste er längst Bescheid? War es ein akuter Geldmangel, der ihn aus diesem Wissen Kapital schlagen hieß? Hatte ihn jemand darauf hingewiesen, wie viel Geld man hierzulande eintreiben kann, wenn man sich als Opfer einer Urheberrechtsverletzung darstellt? Bei diesem Fall liegt einiges im Dunkeln. Aladin E. muss 2008 ein anständiger Mensch gewesen sein, das geht aus seiner Mail hervor. Doch den Chancen, die das deutsche Urheberrecht ihm hier plötzlich bot, konnte er offenbar nicht widerstehen. Jedenfalls unternahm er keinen Versuch, die Sache mit mir persönlich zu klären. Er lief ungesäumt zum Abmahnanwalt mit dem Ziel, eine fünfstellige Summe zu erlangen.

Natürlich machte ich geltend, dass mir sehr wohl die Zustimmung des Malers für die Verwendung des Bildes vorlag. Ich bearbeitete auch sofort das Coverbild, ersetzte Aladins Horizontlinie kurzerhand durch das Ufer des Müggelsees – eine Arbeit von wenigen Minuten – und erklärte meinen Verzicht auf die weitere Verwendung des Bildausschnittes. Doch wer einmal in die Klauen eines Abmahnanwalts geraten ist, kommt so leicht nicht wieder frei. Die Gegenpartei zog vor Gericht und klagte auf eben die Unterlassung, die ich im Vorfeld längst vollzogen hatte. Der Rechtsstreit ging gleich vor das Landgericht, denn aufgrund der hohen Kostbarkeit des streitgegenständlichen Gemäldes wurde der Streitwert auf insgesamt knapp 20.000 € festgesetzt.

 

Alle Argumente werden abgeschmettert 

Als mir die Klageschrift ins Haus flatterte, war ich zunächst recht guten Mutes; ich wunderte mich sogar noch, wie die Gegenpartei so siegessicher eine derartige Klage initiieren und wie ein deutsches Gericht sie zulassen konnte. Immerhin kamen in diesem Fall gleich mehrere Faktoren zusammen, deren jeder zu einer Abweisung der Klage hätte führen müssen. Da war die Zustimmung des Urhebers. Da war die Geringfügigkeit des verwendeten Bildausschnittes, der vielleicht 10 % betrug und das Hauptmotiv des Bildes gar nicht aufnahm. Da war meine Bearbeitung des Bildes und dessen Integration in einen völlig neuen Zusammenhang. Da war der Umstand, dass Computergraphiken vom Urheberrechtsschutz ausgeschlossen sind. Da war der krass überhöhte Streitwert. Und überhaupt, war die Geschichte nicht längst verjährt? Seit 2008 wusste Aladin Bescheid, nicht nur über meine Absicht, sein Bild zu verwenden, sondern auch über die Existenz des Kalenders. Immer wieder hatte er ihn auf meinen Werbemails gesehen. Schon im Herbst 2008, als die Erinnerung an mich und meine Anfrage noch frisch war, hatte er die Ankündigung der ersten Auflage des Jenseits-Kalenders samt Coverbild erhalten und darauf mit keinem Wort reagiert. Das alles musste vom Gericht doch gewürdigt werden.

Diese Meinung vertrat auch der Anwalt, den ich nun engagieren musste. Bisher hatte ich mich selbst verteidigt, auch in der Hoffnung, die Kosten niedrig zu halten, doch am Landgericht herrschte Anwaltszwang. Mein Anwalt, sehr erfahren im Urheberrecht, machte alles geltend, was es irgend geltend zu machen gab. Doch zu unser beider Erstaunen wurde Punkt für Punkt abgeschmettert. Das Gericht folgte zu hundert Prozent der Argumentation der Klägerseite und ließ nicht einen einzigen Umstand gelten, der zu meinen Gunsten sprach.

Da war zunächst einmal die Frage des Gerichtsstands. Der Abmahnanwalt hatte unter Berufung auf den sogenannten „fliegenden Gerichtsstand“ (§ 32 ZPO) das Landgericht am Wohnsitz des Klägers angerufen, und das offenbar nicht nur aus Bequemlichkeitsgründen. Das Landgericht Köln war bekannt für eine äußerst urheberfreundliche Rechtsprechung (und das ist noch sehr gelinde formuliert); hier konnte der Abmahnanwalt darauf bauen, dass auch in den fragwürdigsten Fällen zu seinen Gunsten entschieden wurde. Andererseits entsprach es schon seit Jahren der bundesweit üblichen juristischen Praxis, Rechtsfälle, die sich im Internet zutragen, am Wohnsitz des Beklagten zu verhandeln. 2013 war dies für Privatpersonen sogar in § 104a des sogenannten „Anti-Abzock-Gesetzes“ juristisch festgeschrieben worden. Doch als mein Anwalt dies geltend machte und auf die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichtes Köln verwies, wurde sein Antrag auf Verlagerung des Gerichtsstands zum Beklagtenwohnsitz postwendend abgewiesen.

Abgewiesen wurde auch mein eigener Antrag auf Prozesskostenhilfe. Wie viele Kleinverleger lebe ich von der Hand in den Mund. Ein einziger Schlag ins Kontor kann genügen, um das wacklige Geschäft zum Einsturz zu bringen; und die Klage von Aladin E. war ein gewaltiger Schlag ins Kontor. Ich brauchte also Prozesskostenhilfe, um mich verteidigen zu können, doch die wurde mir nicht bewilligt. In der Ablehnungsbegründung schrieb die Richterin ganz unverblümt, es sei „davon auszugehen, dass die Beklagte über weitere Einkünfte verfügt, die in der vorliegenden Erklärung nicht angegeben sind“. Als ich mich gegen diese Unterstellung verwahrte, musste ich in entwürdigender Prozedur jede einzelne Kontenbewegung des letzten halben Jahres offen legen. Doch obwohl sich der Betrugsverdacht dadurch nicht erhärten ließ, wurde mir die Prozesskostenhilfe auch weiterhin verweigert – jetzt mit der Begründung, meine Verteidigung hätte keine Aussicht auf Erfolg.

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