Zahntourismus nach Polen oder Tschechien ist beliebt, und wenn alles gut geht, auch erfreulich preiswert. Doch wenn es schief geht, hat der deutsche Patient kaum Möglichkeiten der Reklamation. Das musste ich erleben, als ich in Küstrin meinen Unterkiefer sanieren lassen wollte.

Die Zahnklinik Medica Dent III, im Besitz der Firma Cercon Schumann, lag im polnischen Teil Küstrins, genau an der Grenze. Die Behandlungsräume wirkten modern, das deutschsprachige Personal war freundlich und entgegenkommend, die Behandlungstermine ließen sich innerhalb meines Urlaubsaufenthalts im Oderbruch legen, und die günstigen Preise taten ein Übriges, um mich von den Vorzügen einer polnischen Zahnbehandlung zu überzeugen. Ich nahm das Angebot der Klinik für eine umfangreiche Sanierung meines Unterkiefers an – ein Fehler, dessen Folgen mich noch jahrelang begleiten sollten.

Keine Angst, ich werde mich jetzt nicht über die zahntechnischen Einzelheiten verbreiten. Hier nur soviel: Die eine Unterkieferseite wurde ordnungsgemäß behandelt, die andere dagegen verpfuscht, und zwar dermaßen krass und gründlich verpfuscht, dass kein europäischer Fachzahnarzt daran einen Zweifel hegen könnte. Die Folge war, dass ich den Herbst und Winter 2010 ganz unter dem Joch meiner Zähne verbrachte. Ich konnte nur auf einer Seite kauen, aß nur Weichgekochtes und hatte nur Schmerzen. Wohl ein Dutzend Mal legte ich den weiten Weg von Berlin nach Küstrin zurück, ich bestürmte die Klinik mit emails, um die Behandlung zu reklamieren; doch die polnische Zahnärztin beharrte darauf, dass alles in bester Ordnung sei, und ihr Chef war natürlich derselben Meinung.

Endlich suchte ich reumütig einen einheimischen Zahnarzt auf, gestand ihm mein polnisches Abenteuer und bat kleinlaut um Hilfe. Der Mann hatte wochenlang stramm zu tun, um eine Lösung für die völlig verkorkste Zahnsituation zu finden. Er behandelte eine fortgeschrittene, äußerst schmerzhafte Wurzelentzündung und fand schließlich auch eine neue Lösung für die Freiendsituation auf der linken Unterkieferseite. Dabei fielen natürlich weitere Kosten an, und als ich meiner Krankenkasse zu der bereits eingereichten polnischen Rechnung auch noch eine deutsche vorlegte, entstand ein versicherungstechnisches Chaos, das gleichfalls viel Arbeit erforderte. Immerhin, im Frühjahr 2011 hatte ich alles geklärt und war wieder in der Lage, kraftvoll zuzubeißen.

 

Außergerichtliche Anläufe

Von Anfang an war ich entschlossen, den Pfusch nicht auf sich beruhen zu lassen; und da die Klinik Medica Dent III weder auf Briefe noch auf emails reagierte, wandte ich mich an das deutsch-polnische Verbraucherinformationszentrum in Frankfurt/Oder, wo ich um Vermittlung bat.

Dieses Zentrum ist eine Art Verbraucherzentrale für grenzüberschreitende Angelegenheiten – vom defekten Kochtopf, den die deutsche Hausfrau auf dem Polenmarkt erstanden hat, bis zur Vertragsgestaltung mit der polnischen  Pflegerin für den deutschen Opa. Auch ich war zu diesem Zeitpunkt nichts als eine unzufriedene Verbraucherin, und so nahm sich ein Mitarbeiter des Verbraucherzentrums meines Falles an. Er setzte ein Schreiben an die Klinik auf, in dem mein Anspruch anwaltsmäßig akkurat dokumentiert und begründet wurde. Er ließ es, für mich kostenfrei, übersetzen. Er tat alles, was im Rahmen des Außergerichtlichen möglich war. Doch eine juristische Vertretung in deutsch-polnischen Rechtsstreitigkeiten darf das Verbraucherzentrum nicht übernehmen, und so stand hinter seinen Aktivitäten keine Macht, die die Zahnklinik zum Einlenken hätte bewegen können. Die Anwältin der Gegenseite teilte in dürren Worten mit, dass kein Behandlungsfehler erkennbar sei, und wies meine – damals noch sehr bescheidene – Schadensersatzforderung zurück.

Nun blieb mir keine andere Wahl mehr, als einen polnischen Anwalt zu nehmen. Vor diesem Schritt hatte ich mich gefürchtet: Bisher waren keine Geldausgaben angefallen, doch ab jetzt musste ich investieren, und zwar mit äußerst unsicherem Ausgang. Doch ungebrochen war meine Entschlossenheit, die Klinik auf keinen Fall davonkommen zu lassen. Auch baute ich auf die Klarheit des Falles: Die Beweise waren so eindeutig, der Pfusch so schlüssig dokumentiert, dass ich mir zutraute, jedes Gericht zu überzeugen.

Mein Anwalt schlug mir vor, zunächst die Versicherung der beiden polnischen Zahnärzte (Inter Polska) in Regress zu nehmen. Das sei kostengünstiger und werde im Erfolgsfall den Gerichtsprozess vermeiden. Doch die Prüfung des Regressantrags erwies sich als Farce mit vorprogrammiertem Ergebnis. Ein „Gutachten“ wurde in Auftrag gegeben, und das gelangte zufällig genau zu dem Schluss, den sich die Inter Polska wünschte: Es war alles in Ordnung, kein Ärztepfusch lag vor. Der „Gutachter“ hatte sich nicht die Mühe genommen, mich und meinen Zahnstatus zu untersuchen, aber offenbar hatte er ausführlich mit der Gegenseite gesprochen und gab zum Teil wörtlich die Statements wieder, die von der beklagten Zahnärztin zu dem Fall abgegeben worden waren. Die Regressforderung wurde abgewiesen.

Trotzdem hoffte mein Anwalt noch immer, den Fall außergerichtlich zu lösen. Im polnischen Recht gab es das sogenannte „vorgerichtliche Schlichtungsverfahren“, eine Art Güte- und Ausgleichsverhandlung, die es gegnerischen Parteien vor Gericht ermöglichen sollte, Kompromisse und Vergleiche zu schließen. Die Kosten für dieses Instrumentarium (in meinem Fall 200 Euro) waren zwar weitaus niedriger als die regulären Verfahrensgebühren, aber immer noch viel zu hoch, denn sie erwiesen sich als rausgeschmissenes Geld: Die beklagten Zahnärzte waren siegessicher und zu keinem Entgegenkommen bereit. Und hatten sie dazu nicht allen Grund? Sie bewegten sich auf ihrem eigenen Terrain, während ich mich wie durch dichten Nebel tasten musste. 

Vier Jahre lang hatte ich viel Zeit, Arbeit und Geld in die Hoffnung investiert, ein Gerichtsverfahren zu vermeiden. Aber es ließ sich nicht vermeiden – im Gegenteil, gerade der Eindruck des Zurückscheuens vor der letzten Konsequenz hatte die Gegenseite nur in ihrer Dreistigkeit bestärkt. 2014 reichte mein Anwalt endlich Klage vor dem Amtsgericht Stettin ein – der Beginn eines neuen Leidensweges.

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