Deanna DurbinDeanna Durbin war in den 1940er Jahren eine der beliebtesten und höchstbezahlten Schauspielerinnen in Hollywood. Doch schon mit 27 Jahren zog sie sich ins Privatleben zurück. 

Sie war das Mädchen mit der hübschen Sopranstimme, das Mädchen mit dem reinen Blick, das Mädchen mit der frischen, notorisch unschuldigen Ausstrahlung. Ja, nur als Mädchen erscheint sie auf der Leinwand; es gibt keine Altersrollen von ihr. Schon 1948, mit gerade 27 Jahren, zog sie sich aus dem Filmgeschäft zurück und war zu keinem Comeback zu bewegen.

Vielleicht ist das der Grund, weshalb die schnelllebige Zeit noch brutaler über sie hinwegschritt als über andere Hollywood-Diven der Vergangenheit. Die Garbo oder die Monroe sind bis heute in aller Munde, doch sie hatten auch Jahrzehnte lang Zeit, ihre Legenden zu entfalten. Wer aber weiß noch, welchen Hype einst die junge Deanna Durbin ausgelöst hat?

Die Kritiker verglichen sie mit Frühlingsblumen, das Publikum stand Schlange vor ihren Filmen, die Gazetten kommentierten jeden Schritt, den sie tat. Neben dem naiven Jungmädchencharme war es vor allem ihr Gesangstalent, das ihr den Weg nach Hollywood ebnete: ein unprätentiös lieblicher Sopran, für klassische Arien ebenso geeignet wie für Volkslieder oder moderne Schlager. Die hier vorgestellte Arie „Il Bacio“ von Luigi Arditi, technisch immerhin nicht ganz anspruchslos, nahm sie im Alter von dreizehn Jahren auf.

Luigi Arditi: Il Bacio, gesungen von Deanna Durbin (1934)

Als sie mit vierzehn zu filmen begann, blickte sie bereits auf mehrere Gesangsauftritte in populären Radioshows zurück – zu jener Zeit eine starke Publicity. Gleich ihr erster Film „Drei süße Mädels“ (Three Smart Girls) spielte mehr als eine Million Dollar ein und holte ihr Studio, die Universal, über Nacht aus den roten Zahlen. Deanna drehte daraufhin einen Kassenschlager nach dem anderen, immer als herziges, frühlingsfrisches Mädchen und immer mit hübschen Gesangseinlagen. Auch der Wechsel ins Erwachsenenfach gelang ihr problemlos, wenn auch unter gigantischem Medienrummel: Hunderte von jungen Schauspielern wurden von der Universal gecastet, um den perfekten Prince Charming zu finden, der die nunmehr achtzehnjährige Deanna in „First Love“ zum ersten Mal küssen durfte – ein Ereignis, das, wie böse Zungen behaupteten, in der Presse mehr Raum einnahm als der damals in Europa heraufziehende Krieg.

In den 1940er Jahren zählte Deanna Durbin zu den beliebtesten und höchstbezahlten Hollywoodstars. Auch mein eigener Vater hat für sie geschwärmt. Wahrscheinlich lernte er ihre Filme während des Krieges in der Sowjetunion kennen, wo sie große Popularität genossen. Er war nie ein großer Kinogänger, doch  als das Ostberliner Archivkino in einmaliger Vorführung den Deanna-Durbin-Film „100 Männer und ein Mädchen“ (One Hundred Men and a Girl) zeigte, ging er hin und schleifte auch mich mit, da er fand, ich müsse ihn unbedingt sehen. Deanna spielt und musiziert darin mit Leopold Stokowski, schon an sich eine bemerkenswerte Konstellation. Ich weiß nicht, wie ich jetzt den Film beurteilen würde, der mir als Kind riesig gut gefiel; aber bis heute bin ich der Meinung, dass Deanna – oder die Universal – im Prinzip eine glückliche Hand bei der Auswahl ihrer Filmstoffe bewies. Zwar ist kein ausgesprochenes Meisterwerk dabei, doch es findet sich viel solide Qualität: gut gebaute Plots, pointierte Szenen und amüsant platzierte Pointen. Die federleichten, musikalisch beschwingten Komödien der Deanna Durbin lassen sich im 21. Jahrhundert sogar besser konsumieren als die melodramatischen Schmachtfetzen, in denen eine Greta Garbo oder Rita Hayworth glänzte. Besonders gern mag ich „Die ewige Eva“, einen Film, in dem Deannas Beziehung zu ihrem Quasi-Schwiegervater Charles Laughton weitaus inniger und schöner ist als diejenige zu dessen stieseligem Sohn, den sie am Ende leider bekommt.

Altherrenliebe: Deanna Durbin mit Charles Laughton in "Die ewige Eva" (1941)

Deanna selbst hat ihre Filme allerdings viel kritischer gesehen – und damit sind wir bei der Frage, warum sie so früh zu filmen aufgehört hat. Sie stand damals auf der Höhe ihres Starruhms. Zwar hatte sie, namentlich in den letzten Jahren, auch weniger erfolgreiche Filme gedreht, doch es gab keinen eklatanten Flop, der ihren Schritt hätte erklären können. In späteren Interviews beklagte sie sich bitter über die Borniertheit der Studiomogule, die mangelnde Qualität der Drehbücher, das fehlende Einspruchs- und Mitspracherecht. („Ich war der höchstbezahlte Star mit dem armseligsten Material.“) Doch gegen all das hätte sie sich in ihrer Position immer noch besser wehren können als die meisten ihrer Kollegen. Eher dürften die Motive für ihren Ausstieg auf der privaten Ebene liegen. Persönlich war ihr der „Wechsel ins Erwachsenenfach“ nicht ganz so reibungslos gelungen wie im Film: Zwei verfrüht geschlossene Ehen scheiterten schon nach kurzer Zeit. Dann aber fand sie in dem Regisseur Charles David, mit dem sie „Die Dame im Zug“ (Lady on a Train) gedreht hatte, endlich einen Mann fürs Leben. Vielleicht hat er von ihr verlangt, das Filmen aufzugeben, oder sie glaubte, ihre Ehe aufs Spiel zu setzen, wenn sie weiter ihren Beruf ausübte. Zu oft hatte sie bei ihren Kollegen und auch bei sich selbst erlebt, wie gefährlich die Glamourwelt, in der sie agierte, der Entfaltung eines normalen Ehe- und Familienlebens war.

Auf jeden Fall hielt sie ihren Entschluss, nicht mehr zu filmen, mit Festigkeit aufrecht und ließ sich auch durch die verlockendsten Angebote nicht davon abbringen. Louis B. Mayer wollte sie für einen Musikfilm mit Mario Lanza – Deanna Durbin lehnte ab. Bing Crosby wollte sie als Partnerin für seine König-Artus-Parodie – Deanna Durbin lehnte ab. Warner Bros. wollte sie für die Hauptrolle in „My Fair Lady“ – und was wäre sie für eine bezaubernde Eliza gewesen! – doch Deanna Durbin lehnte auch dies ab. Sie verbrachte den Rest ihres Lebens zurückgezogen als Hausfrau und Mutter, und nichts deutet darauf hin, dass sie es je bereute, auf so viel Geld – wir sprechen hier buchstäblich von Millionengagen – und so viel Ruhm verzichtet zu haben. In einem ihrer wenigen Interviews bezeichnete sie sich selbst als den einzigen Kinderstar, der in seinem späteren Leben nicht unglücklich geworden sei.

Deanna Durbin wurde sehr alt: Erst vor wenigen Jahren, im Frühjahr 2013 ist sie 92jährig in Südfrankreich, wo sie zuletzt lebte, gestorben. Doch auf der Leinwand erscheint sie als das ewige Mädchen: das Mädchen mit der hübschen Sopranstimme, das Mädchen mit dem reinen Blick, das Mädchen mit der frischen, notorisch unschuldigen Ausstrahlung. Es gibt keine Altersrollen von ihr.

 

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