Kreuzfahrtschiff von Princess Cruises

Eingefahrene Routine

Ein Blick auf Youtube zeigt ernüchternd die Routine, die hinter dem Konzept und der Aufführung steht. Anscheinend haben Tiki Dave und Lealoha seit vielen Jahren keinen einzigen neuen Song mehr einstudiert. Das wäre vielleicht auch zu viel verlangt angesichts der Massen, die sich auf die Schiffe von Princess Cruises wälzen. Die Hawaii-Kreuzfahrt, die wir gebucht haben, soll 2023 sage und schreibe 17 Mal von Princess Cruises durchgeführt werden; als wir am Morgen des letzten Tages von Bord gehen, werden mittags schon die nächsten Passagiere für genau dieselbe Route erwartet. Also spult man auf jeder Fahrt das gleiche Programm in gleicher Weise ab. Kennt man einen Durchgang, kennt man sie alle.

Innovationen sind nicht in Sicht. Es gibt kein Anzeichen, dass sich Princess Cruises um eine jüngere Klientel bemüht oder um mehr internationale Vielfalt. Warum sollte man auch Konzepte ändern, die auf das Beste funktionieren? Man hat sich eingerichtet im hausgemachten amerikanischen Seniorenheim, die Schiffe sind wieder gut frequentiert und bilden reichlich sprudelnde Geldquellen. Fast alle Bars und Restaurants an Bord sind schon nachmittags voll, fast alle Landausflüge schon nach wenigen Tagen ausgebucht. Es gibt eine bordeigene, bis weit in die Nacht für Käufer geöffnete Galerie, die etliche Auktionen veranstaltet; dabei müssen Unsummen über den Tisch gehen. Ähnliches gilt für das Spielcasino: Wenn man dort abends vorübergeht, hört man die Kassen nur so klingeln, im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Was wiegt dagegen der Rentnerausflugs-Charakter dieser Reederei? Zwar hat man uns vorab mit keinem Wort darüber informiert – wohlweislich, denn sonst hätte es höchstens neun Passagiere aus Deutschland gegeben –, doch die Amerikaner wissen offenbar Bescheid, was sie erwartet, wenn sie an Bord gehen, und lassen sich gern darauf ein.

Von den Passagieren, mit denen wir beim Essen oder bei den Landausflügen ins Gespräch kommen, reist keiner zum ersten Mal mit Princess Cruises; die meisten sind regelmäßige Gäste. Fast alle waren auch schon zigmal auf Hawaii und geben uns Tipps zur Erkundung der Inseln. Wir lernen eine ältere Dame kennen, die 2022 nicht weniger als elf Kreuzfahrten mitgemacht hat, größtenteils mit Princess Cruises. Ende Dezember, gerade mal eine Woche nach unserer Endlandung in L. A., tritt sie die nächste Kreuzfahrt an und macht damit das Dutzend voll.

Wir staunen, nicht nur über das Vermögen, das sie für diese Reisen ausgibt, sondern auch über die Freude, die sie offenbar daran hat. Findet sie die vielen Seetage nicht auf Dauer langweilig? Überhaupt nicht, sagt sie vehement, sie liebe es, Bücher an Deck zu lesen. Doch sie nimmt auch eifrig an den Bordaktivitäten teil. Wir sehen sie im Schiffschor singen, und als Solistin schafft sie es bis in die Endauswahl des Wettbewerbs „Voice of the Ocean“. Es scheint, als spiele sich auf den Kreuzfahrten ihr eigentliches Leben ab, eine Art festlich gehobener Alltag, wie sie ihn an Land nicht finden kann.

Manchmal bringen wir zaghafte Einwände gegen die Princess-Euphorie vor. So bemerke ich eines Abends zu dem kanadischen Ehepaar an unserem Tisch, Princess Cruises sei doch eigentlich eine wenig generöse Reederei. Nie gebe es Aktionen oder kleine Geschenke, wie das bei den europäischen Kreuzfahrtgesellschaften Usus sei. Die Kanadier beteuern, Princess Cruises sei früher ein ausgesprochen großzügiges Unternehmen gewesen. Doch die Einbußen durch Corona zwingen nun mal alle Reedereien zum Sparen.

Einleuchtend. Wahrscheinlich lassen auch die europäischen Kreuzfahrtreedereien jetzt nicht mehr so viel springen wie vor Corona. Doch einige der Sparmaßnahmen von Princess Cruises sind schon ziemlich unschön. Gratis-WLAN beispielsweise wird heutzutage an Land weltweit selbst noch im billigsten Hotel geboten. Bei Princess Cruises reduziert man den Netzempfang auf eine magere Intranetversion, die den Gästen wenig mehr als die Nutzung der hauseigenen App und des Email-Postfachs ermöglicht; und die Princess-App ist auch noch grottig schlecht programmiert und funktioniert in kaum einem Punkt, obwohl man ständig auf sie angewiesen ist. Wer das Netz in vollem Umfang nutzen will, muss es in teuren Tagessätzen kaufen. Auch bei den Landgängen spürt man Knickrigkeit: Komfort gibt es nur für die Passagiere, die die überteuerten Schiffsausflüge buchen; für die anderen wird nicht mal ein Gratis-Shuttle zum nächsten Stadtzentrum bereitgestellt.

Eines Abends finden wir auf unserem Bordkonto eine Belastung in Höhe von 121 Dollar, die wir uns nicht erklären können. Der Einzug kommt von einem der Shops an Bord. Aufgeregtes Rätselraten – wofür wurde uns die Summe berechnet? Wir fragen im Shop nach, versichern dem Manager, wir hätten hier nie etwas eingekauft. Der Manager prüft kurz den Fall, dann erklärt er mit unbewegter Miene, ach ja, da hätte sich wohl unser Chip in einen Fremdkauf eingeloggt. Das komme, wenn auch sehr selten, vor. Kein Problem, er buche das sofort zurück. Sich zu entschuldigen, sieht der Mann keinen Grund. Vielmehr scheint er unterschwellig zu staunen, dass wir um die paar Peanuts so viel Aufhebens machen. Schon möglich, dass es sich hier wirklich um einen Chip- oder Systemfehler handelt. Aber wenn solch ein Fehler öfter passiert, bleibt er in den meisten Fällen unbemerkt, und man kann ihn leicht zum Prinzip erheben. Wo geschätzte Dreiviertel der Kundschaft zu schwerreich oder zu schwer gaga sind, um das eigene Bordkonto zu prüfen, werden die Grundsätze der Redlichkeit starken Versuchungen ausgesetzt.

Auf jeder Kreuzfahrt vergibt man als Passagier beständig Plus- und Minuspunkte. So auch hier, und Pluspunkte sind durchaus vorhanden: die geräumigen, praktisch geschnittenen Kabinen, die Freundlichkeit der Stewards und Kellner, gutes Essen, ein vielfältiges Tagesprogramm… Doch weit schwerer wiegen die Minuspunkte, denn sie sind grundsätzlicher Art. Nein, wir werden mit Sicherheit keine Stammkunden bei Princess Cruises. Zwar sind auch wir nicht mehr die Jüngsten, doch in einem schwimmenden amerikanischen Seniorenheim möchten wir selbst als Hundertjährige nicht reisen. Die Wahl der Reederei war ein Fehler, den wir nicht wiederholen werden.

 

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