Kreuzfahrtschiff von Princess Cruises

Unsere erste Kreuzfahrt nach Corona! Unglücklicherweise hatten wir uns die amerikanische Reederei Princess Cruises dafür ausgesucht - und erlebten dort einiges, mit dem wir nicht gerechnet hatten.

Uns war klar, dass auf Kreuzfahrtschiffen der Altersdurchschnitt höher ist als an Land; doch das Schiff der US-amerikanischen Reederei Princess Cruises, das uns von Kalifornien nach Hawaii trägt, stellt diesbezüglich alles in den Schatten, was wir je erlebten. Das ist wirklich ein schwimmendes Seniorenheim von gigantischem Ausmaß – wohin man auch schaut, man trifft kaum jemanden an, der nicht die Siebzig überschritten hat.

Das Alter ist überall und ständig zugegen, in allen Stadien und Erscheinungsformen. Da sieht man orientierungslose Greise, hilflos über Deck irrend und darauf wartend, dass sie aufgespürt und abgeführt werden. Man sieht gerade noch rüstige Töchter, die mit verbissenen Gesichtern ihre hochbetagten Mütter im Rollstuhl über die Gänge schieben. Vor dem Café hat sich ein Sammelplatz für Rollatoren etabliert. Und immer wieder tauchen unter den saturierten alten Mittelstandspaaren Gestalten auf, die sonderbar gekleidet sind und sich mehr als sonderbar benehmen.

Es weihnachtet sehr, das kommt verschärfend hinzu. Weihnachtsbäume und Weihnachtsgirlanden schmücken gnadenlos jeden Raum, und das Gesäusel von Weihnachtsliedern liegt als ständiger Background über der Szene. Das Fest der Liebe inspiriert die Amerikaner zu Kostümierungen, die auf das europäische Gemüt schon leicht befremdlich wirken. Uralte Herren laufen mit langzipfeligen Weihnachtsmannmützen über die Flure. Ein Ehepaar, schätzungsweise in den Siebzigern, erfreut die Gesellschaft im Partnerlook mit einteiligen Weihnachtsmannkostümen, die riesigen feuerroten Babystramplern gleichen. Nur als wir auf Hawaii sind, hat die Weihnachtsandacht Pause; jetzt treten die Senioren mit knallbunten Hemden, kurzen Hosen und Blumenketten auf, und auch das gereicht in dieser Altersklasse nicht unbedingt jeder Erscheinung zum Vorteil. Es herrscht Frohsinn an Bord; die Menschen, frisch aus der Coronahaft entlassen, trinken, plaudern, kaufen munter drauflos und lassen sich dankbar unterhalten.

Das Kulturprogramm ist ganz auf den Geschmack eines Publikums zugeschnitten, das weder Innovationsgeist noch übertrieben hohe Kritikfähigkeit an den Tag legt. Bei den Shows, die allabendlich im Princess Theatre geboten werden, treten abgetakelte Größen aus Las Vegas oder vom Broadway auf, deren beste Zeit Jahrzehnte zurückliegt, und wiederholen unermüdlich, wenn auch nicht immer mit festen Stimmen, ihr damaliges Repertoire in der Hoffnung, dass die Zuhörer sich noch aus ihrer Jugendzeit daran erinnern. Wir vernehmen nach und nach sämtliche Hits der 1970-er und 1960-er Jahre; sogar Cole Porter aufzufrischen, bietet sich mehrfach Gelegenheit. Auch in den zahlreichen Cafés und Bars ertönt selten ein Song, der nicht mindestens 50 Jahre auf dem Buckel hat. Doch hier sind die Musiker zum Teil nicht schlecht, und wenn sie schöne alte Folksongs spielen oder klassische Kaffeehausmusik, hören wir bei unseren Drinks gern zu.

Die Kreuzfahrt ist ein amerikanisches Heimspiel. Die US-Amerikaner machen etwa 90 % der Teilnehmer aus; dazu kommen kleinere, aber wahrnehmbare Gruppen von Japanern, Chinesen, Kanadiern und Russen. Europäer sind absolute Exoten; unter den mehr als dreitausend Schiffsgästen finden sich gerade mal elf Deutsche, und es ist ein großer Zufall, dass wir irgendwann tatsächlich zwei von ihnen treffen. Der Exotenstatus hat Vor- und Nachteile. Einerseits mögen uns die Amerikaner – fast alle, denen wir begegnen, sind schon mal in Deutschland gewesen und haben auf Oktoberfesten oder Rheinfahrten so tolle Eindrücke empfangen, dass ihre Deutschfreundlichkeit keine Grenzen kennt. Aber an eine deutsche Reiseleitung, wie sie das Reisebüro im Vorfeld verhieß, ist bei den wenigen deutschen Passagieren natürlich nicht zu denken. Als ich ein Problem habe und mich bei der Schiffsleitung beschweren will, finde ich keinen Ansprechpartner. Mir wird (wohlweislich?) nicht mal eine entsprechende Mailadresse genannt.

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