Haben Migranten einen Bonus bei deutschen Behörden und Gerichten? Allein die Frage ist verpönt und rückt den Frager in Pegida-Nähe. Doch wer je mit einem Migranten aneinandergeriet, beginnt die Dinge anders zu sehen.  

Es gab eine Zeit, da hatten Frauen einen Bonus, wenn sie bei Behörden und Gerichten gegen Männer vorgehen wollten. Die Mutter, die das alleinige Sorgerecht für ihre Kinder verlangte, die geschiedene Frau, die sich mehr Unterhalt wünschte, die verlassene Freundin, die ihren Ex der Vergewaltigung beschuldigte, sie alle hatten gute Chancen, gegen die Männer Recht zu bekommen.

Keine Frage, wem geglaubt wurde, wenn Aussage gegen Aussage stand. Es war die Zeit der der weiblichen Opfer und der männlichen Gewalttäter. Die feministische Bewegung, einst mutiger und notwendiger Kampf gegen das Unrecht des Patriarchats, war politisch korrekt geworden und hatte einen machtvollen gesellschaftlichen Sog entfaltet. In den Talkshows traten gescheite feministische Damen auf, die sich über das Phänomen sexistischer Gewalt ausließen. In den Illustrierten las man Geschichten von missbrauchten jungen Mädchen, von unterdrückten Ehefrauen, von verprügelten Ex-Geliebten. Gegen diese Auswüchse der Männerherrschaft, so wurde uns von allen Seiten suggeriert, galt es die armen Frauen zu verteidigen, und zwar mit der vollen Härte des Gesetzes. 

Danach handelte man, und die armen Frauen begriffen schnell, was sich ihnen jetzt für ungeahnte Möglichkeiten boten. Nicht alle Frauen, selbstverständlich, nutzten diese Möglichkeiten aus; doch die Tatsache, dass es ihnen freistand, den Spieß umzudrehen und jetzt ihrerseits die Männer in die Opferrolle zu bringen, war eine Versuchung, der nicht wenige, bewusst oder unbewusst, erlagen. Der Rückenwind des Zeitgeistes trug sie voran und nahm ihnen jede moralische Hemmung. Was sie auch taten, sie waren immer die Guten. Das ist der Fluch des gesellschaftlichen Engagements: Es tötet das natürliche Gerechtigkeitsgefühl. 

Sabine Rückert schildert in ihrem Buch „Unrecht im Namen des Volkes“, wie ein psychisch gestörtes junges Mädchen erst ihren Vater und dann ihren Onkel der Vergewaltigung bezichtigt und für Jahre hinter Gitter bringt. Und die Justiz spielt mit, obwohl die Faktenlage klar zugunsten der Beschuldigten spricht. Kein Mensch fand damals diesen Justizirrtum – oder soll ich sagen: diesen vorprogrammierten Justizirrtum? – besonders skandalös oder bemerkenswert. Namentlich von feministischen Damen kamen achselzuckende Kommentare, dass der Fall doch wohl nicht der Rede wert sei. Hätte dagegen ein Mann zwei unschuldige Frauen ins Gefängnis gebracht, wie frenetisch wäre ihr Aufschrei gewesen, wie frenetisch der Aufschrei der ganzen Nation! Freilich ist diese Annahme rein hypothetisch: Kein Mann hätte es zu jener Zeit geschafft, ein weibliches Wesen grundlos zu beschuldigen, und kein Gericht hätte dergleichen sanktioniert. 

Ich hegte von jeher einen Widerwillen gegen fanatische Frauenrechtlerinnen, und ich hatte Sabine Rückerts Buch mit großer Empörung gelesen. Aber es war eine ferne Empörung, die nicht mit Angst verbunden war: Als Frau gehörte ich nicht zur Zielgruppe des kollektiven Emanzipationswahns. Auch schien sich ja die Lage alsbald wieder zu normalisieren: Gerichte und Behörden lernten allmählich, dass Frauen keineswegs das edlere Geschlecht sind, dass sie nicht schlechter intrigieren und lügen können als die Männer und dass sie ihre vermeintliche Schwäche und Schutzbedürftigkeit gut zu nutzen verstehen, um sie am Ende in siegreiche Stärke zu verwandeln. Der Kachelmann-Prozess markiert für mich das Ende der Kampfemanzen a la Alice Schwarzer.

Sind jetzt die Migranten an die Stelle der ach so schutzbedürftigen Frauen getreten? Gibt es einen Bonus für Migranten, die in Gegnerschaft zu Einheimischen stehen? Schon die Frage ist verpönt und bringt den, der sie stellt, in den Ruch der Ausländerfeindlichkeit. Trotzdem ist es eine Frage, das sich mir häufig aufdrängt – zunehmend häufig seit der Zeit, da ich einen Urheberrechtsprozess vor dem Landgericht Köln verloren habe, weil sich das Gericht sehr früh und sehr entschieden auf die Seite meines Gegners schlug. Dass dieser Gegner türkischstämmig war, hatte ich anfangs gar nicht beachtet. Ich war einfach nur bass erstaunt, als ich die ersten Schriftsätze des Gerichts las. Nie hätte ich eine derart krasse Vorverurteilung für möglich gehalten, nie eine solch hermetische Taubheit für jedes Gegenargument. Und nie hätte ich es für möglich gehalten, persönlich mit einer solchen Verachtung, ja Unverschämtheit behandelt zu werden. Was lief hier ab? Warum verhielten sich die Leute so? Ich erwog Verschwörungstheorien: Spielte der Gegenanwalt vielleicht mit einem der Richter Tennis oder Golf? Hatten sie zusammen die Schulbank gedrückt? Aber nein, das war doch alles Unsinn. Sowas gab es nur in schlechten Krimis. 

Die Erleuchtung kam mir, als ich im Juni 2014 einen besonders engagierten Schriftsatz des Landgerichts Köln in den Händen hielt – nein, es war eigentlich keine Erleuchtung, sondern mehr ein Déja-vu. In dem Schriftsatz ging es um die Frage, ob die Computergraphik, die ich dem Kläger gestohlen haben sollte, als Kunstwerk einzustufen sei oder nicht, und die Richterin fand – sehr ungewöhnlich für einen juristischen Schriftsatz – glühende, fast poetische Worte, um die Computergraphik als ein erhabenes und wertvolles Kunstwerk zu preisen, das des Urheberrechtsschutzes würdig sei. 

Da fiel mir ein, dass ich etwas Ähnliches vor vielen Jahren schon einmal erlebte. Im Februar 2009 war ich in einen Auffahrunfall verwickelt, von dem ich annahm, dass er provoziert worden sei. Auch damals war mein Gegner türkischstämmig, und auch damals hatte ich dieser Tatsache keinerlei Beachtung geschenkt. Ich äußerte zwar gegenüber der Polizei und der Versicherung meinen Verdacht auf einen provozierten Unfall, doch wie in den meisten Fällen dieser Art fehlten nicht nur die äußeren Beweise, es fehlte auch die innere Sicherheit. Zwar sprachen verschiedene Anzeichen dafür, dass der Unfall böswillig herbeigeführt wurde, doch mein Gewissen sagte mir, dass ich mich in einer Annahme, die für mich von Vorteil war, leicht täuschen konnte. 

In dieser Situation traf unverhofft ein Brief der gegnerischen Versicherung ein: Die zuständige Sachbearbeiterin erklärte in aufgebrachten Worten, dass ihren Mandanten definitiv keinerlei Verschulden an dem Unfall treffe. „Herr M. hat verantwortungsbewusst gehandelt und die äußerste Sorgfaltspflicht beachtet“, hieß es wörtlich in dem Schreiben. 

Auch damals hatte ich gestaunt über das kategorische Engagement, das mir hier entgegenschlug. Woher wusste die Dame so genau, was passiert war, wenn ich das nicht einmal selber wusste? Ja, und auch damals waren mir diffuse Verschwörungstheorien durch den Kopf gegangen: Womöglich steckte diese Angestellte unter einer Decke mit einem notorischen Autobumser?... Doch das schien genauso weit hergeholt wie die These von den golfspielenden Juristen. Viel wahrscheinlicher war - dieses Licht ging mir jetzt mit reichlicher Verspätung auf –, dass es sich in beiden Fällen um politisch korrekte Damen handelte, überzeugt, sich aus reinsten und edelsten Motiven für gesellschaftlich Schwächere einzusetzen, denen Unrecht und Benachteiligung drohten. 

Es ist eine Konstellation, wie man sie täglich in den Medien vorgesetzt bekommt, besonders gern im deutschen Fernsehen: Auf der einen Seite der Edelmigrant: gebildet, sympathisch, redlich wie Gold und an allem unschuldig, was man ihm vorwirft. Auf der anderen Seite protzt der „hässliche Deutsche“, primitiv und voller Vorurteile, der den Edelmigranten anfeindet, ihn seiner Rechte berauben will, ihn häufig auch eines Verbrechens bezichtigt und dabei zu den übelsten Mitteln greift. Doch glücklicherweise gehört zu dieser Konstellation noch eine dritte Partei: der „anständige Deutsche“, der sich nicht von Vorurteilen beeinflussen lässt. Der eilt dem bedrängten Migranten zu Hilfe, deckt das Komplott gegen ihn auf und sorgt dafür, dass es ein Happy End gibt. Wie oft war ich am Fernseher voller Mitleid einer so gestrickten Geschichte gefolgt, wie oft hatte ich mich, hingerissen durch das schlichte und eindeutige Weltbild, emotional auf die Seite des „anständigen Deutschen“ geschlagen. Und nun fand ich mich selbst in die Rolle der „hässlichen Deutschen“ eingerückt, erst damals bei jenem Verkehrsunfall und jetzt in dem Rechtsstreit um das Urheberrecht, und beide Male musste ich erleben, wie „anständige“ deutsche Damen die Rechte von Migranten so vehement vertraten, dass meine eigenen dabei auf der Strecke blieben. 

In beiden Fällen hat es ein Happy End gegeben – ein Happy End im Sinne jener Fernsehspiele, ein Happy End für die Migranten, nicht für mich. Was den Unfall betraf, so kassierte mein Gegner eine vierstellige Summe zum Ausgleich für eine kaum sichtbare Schramme, während ich als Unfallverursacherin von der Versicherung böse gestuft wurde. Im Fall des Urheberrechtsprozesses gab das Gericht meinem Gegner Recht und ließ mich die volle Härte des Gesetzes spüren: Es verdoppelte den angesetzten Streitwert und bürdete mir Kosten auf, die mein Gewerbe und meine Existenz zerstörten. 

Heute kann ich politisch korrekte Fernsehspiele nicht mehr ertragen; mich würgt schon Brechreiz, wenn dergleichen auch nur entfernt im Anzug ist. Es sind nicht die siegreichen Migranten, gegen die mein Frust und meine Wut sich richten; die nutzen nur schlitzohrig eine bestimmte Gemengelage zu ihren Gunsten aus, so wie es viele von uns an deren Stelle möglicherweise auch tun würden. Nein, was mich zur Verzweiflung treibt, ist das selbstverständliche Unrecht der Guten, der politisch Korrekten, der „anständigen Deutschen“. Die haben das Sagen in diesem Land, und ihrem noblen Engagement sind wir „hässlichen Deutschen“ – also ein jeder, der in Gegnerschaft zu einem Migranten gerät – vollkommen schutzlos ausgeliefert. 

Schon die Beweiskriterien für die Migrantenbevorzugung sind ein Problem. Wir sprechen hier von Zeitgeist, von Denkklischees, von etwas Untergründigem und Unwägbarem, was juristisch kaum zu fassen ist. Natürlich würde kein Gerichts- oder Behördenvertreter jemals zugeben, dass er einen Menschen aufgrund seiner Herkunft bevorzugt. Im Gegenteil: Er wird in jedem Fall aus tiefster Seele überzeugt sein, das nicht zu tun. Wenn er Menschen mit Migrantenhintergrund Recht gibt, so tut er das aus objektiven Gründen und ohne Ansehen der Person: Herr M. bekommt Recht, weil er den fraglichen Verkehrsunfall nicht verschuldet, vielmehr „verantwortungsbewusst gehandelt und die äußerste Sorgfaltspflicht beachtet“ hat. Herr E. bekommt Recht, weil er keine Computergrafik, sondern ein großartiges Kunstwerk schuf. Das ist der Ausgangspunkt in allen Fällen solcher Art, und es wird namentlich für Juristen nie ein Problem sein, diesen Ausgangspunkt beweiskräftig zu untermauern. Wer je in einem Amt oder in einer Anwaltskanzlei gearbeitet hat, weiß um die unbegrenzte Biegsamkeit von Fakten. Die „anständigen Deutschen“ erkennt man also nicht an ihren Urteilen und Entscheidungen, sondern einzig und allein an dem engagierten Ton, der aus ihren Äußerungen spricht. Wo man auf diesen hochgespannten, kategorisch wissenden Ton trifft, darf man nicht mehr auf gerechte Beurteilung hoffen. Ein „anständiger Deutscher“ wird sich nie in seinen edlen Zielen beirren lassen. 

Wer sollte es auch wagen, ihnen Einhalt zu gebieten, ohne sich selbst in den Verdacht der Hässlichkeit und Primitivität zu bringen? Für benachteiligte Migranten gibt es Ausländerbeauftragte, Gleichstellungsbeauftragte, Hilfsvereine, engagierte Abgeordnete und eine mediale Öffentlichkeit, die äußerst hellhörig in dieser Richtung ist. Sie alle sorgen mit vereinten Kräften für ein Klima, in dem kein Migrant auch nur den Hauch einer Beleidigung oder Diskriminierung erfahren darf. Was es nicht gibt, sind Inländerbeauftragte für benachteiligte Deutsche, und es gibt auch keine Presse, die über diese je berichten würde. Die offiziellen Medien stürzen sich nur zu gern auf jede Story, in der ein Deutscher einen Migranten platt macht, doch der umgekehrte Fall ist noch immer tabu. Jene Richterin, die mir ohne Beweis und in völliger Unkenntnis meiner Person die Erschleichung von Leistungen unterstellte, konnte sorglos darauf bauen, dass von dieser Unterstellung niemand je etwas erfahren würde. Doch sie hätte sich schwer gehütet, etwas Derartiges über meinen türkischen Gegner zu äußern. 

Noch besser lässt sich das, was ich meine, am Beispiel der provozierten Verkehrsunfälle illustrieren, denn während Migranten vermutlich eher selten in Medienrechtsprozesse verwickelt werden, scheinen sie doch an derartigen Unfällen mit einiger Häufigkeit beteiligt zu sein. Ich sage „scheinen“, denn Statistiken oder auch nur genauere Angaben zu diesem Thema sucht man vergeblich. Das liegt fraglos an der Verschwommenheit des Deliktes, die es in vielen Fällen – wie auch in dem von mir erwähnten – schwer oder unmöglich macht, einen provozierten Unfall von einem echten zu unterscheiden. Das liegt zugleich aber auch an der politischen Korrektheit, die darauf beharrt, dass Migranten nur in verschwindend geringem Maße an der Kriminalität in diesem Land beteiligt sind; und von daher sind die überlasteten Behörden in Einzelfällen vielleicht eher bereit, einen zweifelhaften Unfall für echt zu erklären, wie überhaupt ihr Kampf gegen die „Autobumser“, die bedenkenlos Menschenleben gefährden und schwere wirtschaftliche Schäden anrichten, seltsam unentschieden und nur selten vor den Augen der Öffentlichkeit geführt wird. 

Trotzdem ist es ein offenes Geheimnis, dass sich unter den „Autobumsern“ relativ viele Migranten befinden; das ergibt auch die Internetrecherche zum Thema, obwohl sie sich so schwierig gestaltet wie die gesamte Materie. Es ist erstaunlich, wie erfolgreich diese Leute sind und mit welcher Dreistigkeit sie agieren. Vor Jahren schaffte es ein Fall von „Autobumsen“ – oh Wunder! – bis ins deutsche Fernsehen: Der Täter rammte den Wagen einer Autofahrerin, die aus einer Seitenstraße auf die Hauptstraße abbiegen wollte, stieß dann seelenruhig zurück, gab Gas und rammte den Wagen ein zweites Mal, um den Versicherungsschaden zu vergrößern. Anschließend stieg er aus, und seine ersten Worte lauteten: Du schuld. Die Autofahrerin hatte Glück: Eine Anwohnerin wurde Zeugin des Vorfalls, und mithilfe ihrer Aussage konnte man dem Versicherungsbetrüger das Handwerk legen. Trotzdem ist das eine Geschichte, die uns alle das Fürchten lehren sollte: Jedem kann sie jeden Tag passieren, und wenn kein rettender Anwohner erscheint, wenn einfach nur Aussage gegen Aussage steht, wem glaubt dann wohl ein deutsches Gericht? Der „Autobumser“ hatte es gewusst – er hatte es so genau gewusst, dass man den Kopf einziehen möchte vor soviel Siegessicherheit. 

Früher hatte ich die politische Korrektheit absurd und lächerlich gefunden. Heute macht sie mir nur noch Angst. In den Zeiten des Frauenbonus waren es die Männer, die Gefahr liefen, durch Klischees und Vorurteile ihr Vermögen, ihre Ehre und ihre Existenz zu verlieren. Heute kann es jeden von uns erwischen. Ich zweifle nicht, dass auch in diesem Punkt ein Umdenken, eine Normalisierung, eine Rückkehr zu gerechter Wertung einsetzen wird. Schon die Vorfälle in der Silvesternacht von Köln 2015/16 haben möglicherweise die Wende gebracht. Immer mehr Menschen empören sich über das Unrecht der politischen Korrektheit, und auch in den offiziellen staatlichen Organen reift die Erkenntnis, dass es dem politischen Klima gar nicht gut tut, wenn man das Klischee vom Edelmigranten und dem ihn bekämpfenden „hässlichen Deutschen“ in Beschlüssen und Urteilen zementiert. Vielleicht wird auch diese Spielart der politischen Korrektheit bald Geschichte sein. Nur den Opfern wird das leider nicht mehr viel nützen.

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