Weinbau in DurbachEine Rehakur im Schwarzwald bei herrlichstem Wetter - was kann da schiefgehen? Und doch, diesmal ist alles anders. Liegt es wirklich nur an Corona?

Ich hatte um diese Reha gekämpft, ich hatte mich darauf gefreut. Schon immer war ich gern zur Kur gefahren: Drei Wochen lebt man nur für seinen Körper, man ernährt sich gesund, treibt regelmäßig Sport, geht in der Regel mit den Hühnern schlafen. Meist verzeichnet man auch therapeutische Erfolge oder bekommt zumindest Anregungen, etwas auszuprobieren oder anders zu machen, um das eigene Wohlbefinden zu verbessern; und ganz nebenbei lernt man auch noch eine schöne, bislang unbekannte Gegend kennen.

Die Gegend ist auch diesmal schön: ein Weinanbaugebiet im Badischen, Rebstöcke, soweit das Auge reicht, an den malerischen Berghängen des Schwarzwalds. Und das Wetter meint es gut – eine leuchtende Septembersonne treibt die Temperaturen bis über 30 Grad. Und trotzdem: Gleich der erste Tag bringt Frust und Ernüchterung – warum?

 

Spartanische Ausstattung, altmodisches Konzept

Es beginnt schon mit der Ausstattung der Kurklinik. Selbst noch der einfachste Dorfgasthof – das hatte ich erst kürzlich während einer Rundreise gelernt – bietet heute dem Gast einen gewissen Standard: Bequemlichkeiten wie Gratis-WLAN, Fernseher, Fön oder Flüssigseife stehen selbstverständlich überall zur Verfügung. Für Kurkliniken gelten solche Standards offensichtlich nicht. Die Basisausstattung ist denkbar spartanisch; allen Komfort, der darüber hinausgeht, muss man sich extra erkaufen.

So darf man beispielsweise für 12 Euro eine Woche lang per WLAN das Internet nutzen – allerdings immer nur mit einem Gerät. Will man vom Laptop zum Tablet wechseln, muss man sich abmelden, zehn Minuten warten und dann eine Neuanmeldung vornehmen. Die Verbindung ist von denkbar schlechter Qualität: Oft setzt sie mitten im Surfen momentweise aus, und das Streamen von Filmen wird zur Qual. Man fühlt sich zurückversetzt ins 20. Jahrhundert, und Alternativen sind nicht vorhanden. Zwar gibt es viele, auch freie Netzwerke ringsum, doch im Klinikbereich wird nur das eine sichtbar.

Ein Fernseher ist im Zimmer vorhanden – Relikt aus guten alten Zeiten. Das Problem ist nur, dass man das Bild zwar sehen, den Ton aber nicht hören kann. Das ist nur über Kopfhörer möglich, die auch wieder kostenpflichtig sind. Will man „richtig“ fernsehen, so muss man das im Bereich der Kopfhöreranschlüsse tun – Bluetooth und Co. haben in diesen Gefilden bisher noch keinen Einzug gehalten. Nie wird man frühmorgens beim Aufstehen von einer beschwingten Melodie begleitet, nie kann man beim abendlichen Aufräumen nebenbei die Spätnachrichten verfolgen. Es scheint, dass diese Kopfhörer-Unsitte mittlerweile in vielen oder gar in allen bundesdeutschen Rehakliniken Einzug gehalten hat. Begründet wird sie natürlich mit der zartfühlenden Rücksicht auf die Kurpatienten, die amen kranken Menschen, die Ruhe brauchen; und Ruhe wird so in der Tat geschaffen, eine kalte, sterile Ruhe, die bleiern über den Fluren liegt, die Ruhe eines Kirchhofs, möchte man erbittert mit Schiller sagen.

Das Klinikkonzept entspricht der Ausstattung: Es ist in die Jahre gekommen. Schon am zweiten Tag, als eine ältere Dame einen Vortrag über Schlafstörungen hält, beschleicht mich der Verdacht, dass dieselbe Dame seit Jahrzehnten denselben Vortrag hält, der stets denselben Stand der Schlafforschung wiedergibt, nämlich den um die Jahrtausendwende. Die meisten der folgenden Vorträge bestätigen diesen Verdacht. Lieblos abgespulte Routine regiert; Berichte über neue Trends oder Innovationen in der Diabetesforschung sucht man vergebens. Eine junge Diabetologie-Assistentin, die langjährigen Diabetikern die Bedienung eines Blutzuckermessgerätes zu erläutern hat, überblättert gleich ein Dutzend Seiten ihrer Powerpoint-Präsentation und erklärt mit nervösem Kichern, das sei alles nicht mehr gültig und müsse wohl mal überarbeitet werden. Auch von der therapeutischen Seite her erweist sich die Klinik als wenig überzeugend.  Die mir neu verordnete Medikation ist wirr und teilweise widersprüchlich. Hatte ich auf eine präzise Einstellung nach genau definierten Kriterien gehofft, so sah ich mich auf der ganzen Linie enttäuscht.

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