Schloss Zeesen bei Königs Wusterhausen ist verfallen und heruntergekommen. Man sieht dem unscheinbaren Bau nicht an, dass er auf eine bedeutende Geschichte zurückblickt.
Das Haus heißt „Schloss Zeesen“, doch das Wort Schloss erscheint ein bisschen hochgegriffen. Eher wirkt es wie ein Brandenburger Gutshaus, fast klobig kompakt und im Fassadenstil von schmucklos bescheidener Sachlichkeit. Man sieht ihm nicht an, dass es im barockverspielten 17. Jahrhundert entstand. Aber was für eine Lage: direkt am Ufer des Zeesener Sees und umschlossen von einem weitläufigen Park, dessen uralte Bäume aussehen wie verwunschen.
Vor allem jedoch: Was für eine Geschichte! Das Haus wurde 1688 als „Lustschloss“ (Maison de Plaisance) errichtet. Sein Erbauer war Freiherr Eberhard von Danckelman, seinerzeit Premierminister am Hof des Preußenkönigs Friedrichs I., dessen Hauslehrer er gewesen war. Eberhard von Danckelman gehörte zu den mächtigsten Männern Preußens, wozu auch beitrug, dass er seine sechs Brüder, die allesamt Juristen waren, in einflussreiche Positionen der Verwaltung und des Militärs lancierte. Das „Danckelmansche Siebengestirn“ lenkte jahrelang die Geschicke Preußens und erwarb sich große Verdienste um die Prosperität des Landes; doch es zog auch den Hass zahlreicher Neider auf sich, und die brachten sein Oberhaupt schließlich zu Fall. 1697 wurde Eberhard von Danckelman aufgrund einer Hofintrige verhaftet. Seine Güter verfielen der preußischen Krone. Lange Jahre des Prozessierens, der Kerkerhaft und der Verbannung vergingen, bis man Danckelman schließlich wieder rehabilitierte. Doch seinen Besitz bekam er nie zurück. Auch das kleine Lustschloss Zeesen riss sich Friedrich I. unter den Nagel und schenkte es schließlich seinem Sohn, dem späteren König Friedrich Wilhelm I.
Der „Soldatenkönig“, wie man ihn nannte, war ein passionierter Jäger und fand in der damals noch wenig besiedelten Region um Königs Wusterhausen ideale Reviere vor. Jedes Jahr im Frühherbst fuhr er mit seiner Familie dort hinaus, um wochenlang auf seinen Schlössern der Jagdleidenschaft zu frönen – sehr zum Verdruss seiner beiden ältesten, mehr geistig interessierten Kinder Friedrich und Wilhelmine, die sich in der Einöde tödlich langweilten. Als Sohn Friedrich dann selber Preußen regierte und zu „Friedrich dem Großen“ reifte, hatte er für die Jagdschlösser seines Vaters keinerlei Verwendung. Schloss Zeesen wurde verpachtet und später verkauft.
In den nächsten Jahrhunderten wechselte das Gebäude häufig den Eigentümer. Mehr oder minder bedeutende Adelige hielten dort ihr Domizil, doch erst Anfang des 20. Jahrhunderts tauchte wieder ein Besitzer auf, der nähere Erwähnung verdient: Es war der jüdische Bankier Eugen Gutmann, Begründer und Vorstandsmitglied mehrerer Banken, darunter auch der Dresdner Bank. Das Konzept der Bankfilialen, das bis heute Anwendung findet, geht auf seine Idee zurück. Gutmann scharte auf Schloss Zeesen einen erlesenen Kreis von Wirtschafts- und Finanzfachleuten um sich. Der unscheinbare Dorfsalon wurde zum Schauplatz angeregter Debatten, die möglicherweise Entscheidungen von großer Tragweite zur Folge hatten.
Nach Gutmanns Tod 1925 kaufte der Rechtsanwalt Dr. Ernst Goldschmidt das Schloss; auch er war jüdischer Abstammung. In dieser Zeit besaß das Haus schon einen gewissen Bekanntheitsgrad. Dr. Goldschmidt war ein Schöngeist und lud sich gern illustre Gäste ein, zum Beispiel den schon todkranken Dichter Klabund, den der idyllische Ort zu mehreren Sommergedichten inspirierte.
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