Dispokredit? Nicht für mich.

Banken urteilen in Rastern. Wer diese festlegt, ist mir unbekannt, doch sie müssen wohl der Realität entsprechen, wenn so viele kluge Leute an den Schalthebeln der Macht sich ihrer bedienen. Familienväter mit Festanstellung werden grundsätzlich für solvente und vertrauenswürdige Menschen gehalten, obwohl sie täglich dutzendfach das Gegenteil beweisen. Freiberufler dagegen gelten ebenso grundsätzlich als suspekt. Bei vielen Banken dürfen sie nicht mal ein simples Girokonto eröffnen.

Möglicherweise hätte mich auch die Dresdner Bank als Kundin abgewiesen, aber ich wurde ihr aufgezwungen. Einst führte ich ein Konto bei der Advance Bank, einer der ersten Direktbanken Deutschlands, die ihre Kunden mit großzügigen Konditionen lockte, unter anderem mit komfortablen Dispokrediten. Leider hatte die Bank nur wenig Erfolg und wurde schon nach wenigen Jahren von der Dresdner Bank geschluckt – vielleicht kam sie als Direktbank einfach zu früh, oder die Konditionen waren für das Geschäft zu großzügig gewesen. Alle Konten der Advance Bank gingen über auf die Dresdner Bank, wobei sowohl die scheidende als auch die neue Bank den Kunden in freundlichen Schreiben versicherte, dass sich an den Konditionen der Kontoführung durch den Wechsel nichts ändern werde.

Na schön, dachte ich, dann eben Dresdner Bank. Solange ich die kostenlose Kontoführung und den vereinbarten Kreditrahmen von 2.100,-- € behielt, konnte es mir egal sein, wie der Laden hieß. Nach einiger Zeit kam von der Dresdner Bank ein weiteres freundliches Schreiben: Man werde fortan mein Konto nicht mehr als Privat-, sondern als Geschäftskonto führen. Na schön, dachte ich wieder, dann eben Geschäftskonto. Bisher hatte ich zwar meine Konten nicht getrennt, aber da ich seit einiger Zeit einen Kleinverlag betrieb, erschien es mir ganz praktikabel, dafür eine eigene Buchführung zu haben. Ich nahm also die Ansage widerspruchslos hin und richtete mir bei einer anderen Bank ein neues Privatkonto ein.

Den Kreditrahmen hatte ich während all der Zeit kaum in Anspruch genommen, doch im Jahre 2007 hatte ich vor, ihn voll auszureizen: Ich plante den Druck verschiedener Titel, und meine Druckerei verlangte dafür einen Vorschuss. In den Zeit- und Finanzplänen, die ich aufstellte, bildete der Dispokredit der Dresdner Bank einen wichtigen Faktor, denn auf einen Mikrokredit bestand nicht die geringste Aussicht. Gerade hatte ich den ersten großen Auftrag an die Druckerei ausgelöst, als ich von der Dresdner Bank ein völlig rätselhaftes Schreiben erhielt. Schon der Betreff war eigenartig: „Dispositionskredit auf Ihrem Privatkonto“. Auf was für einem Privatkonto? Noch sonderbarer war der Inhalt, der nur aus drei lapidaren Sätzen bestand: „Zur Zeit haben wir für Sie einen Dispositionskredit in Höhe von 2.100 Euro vorgemerkt. Wie hierzu mit Ihnen vereinbart, streichen wir mit Wirkung vom…“ Was? Aber das war in zehn Tagen! „…die Vormerkung Ihres Dispositionskredits. Bitte beachten Sie, dass Ihr Privatkonto ab dem vorgenannten Termin im Guthaben geführt wird.“

Ich rief meine Bankbetreuerin an und fragte, was das zu bedeuten hätte. Wann sei denn je etwas mit mir „vereinbart“ worden? Und wieso spreche sie in dem Schreiben plötzlich von einem „Privatkonto“? Da liege doch bestimmt eine Verwechslung vor, meinte ich mit einer treuherzigen Zuversicht, die der Bankerin nicht wenig peinlich war. Meine Begriffsstutzigkeit zwang sie, direkt auszusprechen, was sie lieber nur verblümt hätte durchblicken lassen: dass hier durchaus keine Verwechslung vorlag. Dass mein Dispokredit tatsächlich in zehn Tagen vollständig gestrichen werde. Ich fiel aus allen Wolken hart auf die Erde. Vollständig gestrichen! Aber warum? Die Dame am anderen Ende der Leitung geriet aufs Neue in Verlegenheit: weil die Umsätze auf dem Konto… ääh… nicht ausreichend seien, um ein Dispositionslimit in solcher Höhe zu rechtfertigen. Aber ich hätte doch außer dem Girokonto auch noch Fonds bei der Dresdner Bank! Damit wäre doch notfalls reichlich Sicherheit gegeben! Und überhaupt, sie kenne mich doch! Ich sei doch seit Jahren Kundin bei der Bank! Nie hätte ich mein Konto überzogen, nie Anlass zu irgendwelchem Ärger gegeben! Warum tue man mir ausgerechnet jetzt so was an?

Die Bankerin blieb hart: Sie handele lediglich nach den Vorschriften der Bank, die die Streichung des Dispokredits unter den gegebenen Umständen verlangten. Aber als mein Advance Bank Konto von der Dresdner Bank übernommen wurde, sei mir doch versprochen worden, dass die Konditionen der Kontoführung unverändert bleiben sollten! Die Bankerin blieb hart: Das hätte nur für ein Privatkonto gegolten, jetzt aber führe ich ein Geschäftskonto, für das neue Konditionen eingeräumt werden könnten. Aber das sei doch nicht meine Idee gewesen! Zu spät erkannte ich die böse Falle, die sich hinter der Umstellung des Kontos verbarg. Wie hatte ich bloß darauf eingehen können!

 Am Ende flehte ich nur noch um einen Aufschub. Die Druckerei sitze mir im Nacken! Ich müsste einen Vorschuss leisten, jetzt, sofort! Wenigstens bis zum Monatsende solle sie mir den Kreditrahmen lassen, damit ich Zeit hätte, eine Lösung zu finden! Die Bankerin blieb hart: Ein Aufschub sei nicht möglich. Zehn Tage noch, dann werde der Kredit gestrichen.

Die Geschichte endete damit, dass ich, um die Druckerei bezahlen zu können, unter höchst ungünstigen Konditionen meine Lebensversicherung beleihen musste. Zuvor hatte ich noch den Ombudsmann der Dresdner Bank um Vermittlung gebeten, doch der ergriff, wie nicht anders zu erwarten, gegen mich und für die Bank Partei. „Die in den Jahren 2006 und 2007 verbuchten Umsätze bieten bislang keine Basis für die Krediteinräumung“, hieß es zur Begründung. Und damit waren meine Möglichkeiten des Protestes und der Gegenwehr auch schon erschöpft. Zwar erkundigte ich mich auch nach möglichen juristischen Schritten – schließlich war ich in dieser Sache eindeutig finanziell geschädigt worden –, doch ich musste schnell erkennen, dass es dafür keine Chance gab. Banken scheinen hierzulande generell in einem rechtsfreien Raum zu agieren, ein Staat im Staate, der sich selbst die Gesetze gibt. Bei der Gewährung oder Höhe von Dispositionskrediten sind den Banken keinerlei Schranken gesetzt, und natürlich dürfen sie, genau wie Politiker, auch beliebig gegebene Zusagen brechen.

Als ich mein Konto bei der Dresdner Bank auflöste, musste ich jener Betreuerin noch einmal gegenübertreten. Während sie die Kündigungspapiere ausschrieb, sprach aus ihrer Miene unverkennbarer Triumph. Sie war von allen Vorgesetzten in ihrer Handlungsweise bestätigt worden, vielleicht sogar belobigt, weil sie die Bank von einer solch fragwürdigen Kundin befreite. Übrigens hat sich auch hier meine Empörung längst wieder relativiert. Heute würde ich vermutlich gar nicht mehr das Konto wechseln, sondern einfach die Ohrfeige einstecken und resigniert die Achseln zucken. Ich habe gelernt, dass die Dresdner Bank durchaus nicht schuftiger war, als jede andere Bank an ihrer Stelle gewesen wäre. Irgendwo muss man sein Konto führen, und Diskriminierungen von Freiberuflern sind überall an der Tagesordnung, auch bei meiner jetzigen Bank. Mir sind keine Positivbeispiele bekannt.

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