Wohngeld? Nicht für mich.
Stellt der Freiberufler einen Wohngeldantrag, kann er als Einkommensnachweis keine Monatsbelege, sondern nur den Einkommensteuerbescheid des jeweils letzten Kalenderjahres vorlegen. Demzufolge erhält er sein Wohngeld quasi mit einem Jahr Verspätung, also berechnet auf das Einkommen des Vorjahrs, was in der Praxis zu absurden Konstellationen führen kann. So hatte ich im Jahre 2006 mit meinem Einkommen Glück gehabt, worauf ich im Jahre 2007 prompt Pech mit meinem Wohngeld hatte: Mein Antrag wurde abgelehnt, da mein Einkommen zu hoch sei, und obwohl es mir just um diese Zeit finanziell besonders schlecht ging, musste ich auf die Stütze des Wohngelds verzichten. Entsprechend düster sah dann aber auch der Einkommensteuerbescheid 2007 aus, so dass ich guten Mutes 2008 einen neuerlichen Wohngeldantrag stellte – diesmal war mein Einkommen bestimmt nicht zu hoch.
Was ich damals noch nicht wusste: Auch ein zu geringes Einkommen wird mit dem Entzug von Wohngeld bestraft. Hintergrund ist die Vermutung, dass nur Schwarzarbeit im Spiel sein kann, wenn kein hinreichendes Einkommen nachgewiesen wird. Natürlich äußert niemand diese Vermutung, und es gibt auch im ganzen Wohngeldgesetz keinen Paragraphen, der eine untere Einkommensgrenze definiert. Der Wohngeldentzug bei zu niedrigem Einkommen wird einfach von den Wohngeldbehörden praktiziert und von der Gerichtsbarkeit bestätigt.
Anstelle der erhofften Wohngeldzusage traf ein strenges Schreiben ein, in dem ich zur Auskunft aufgefordert wurde, wovon ich meinen Lebensunterhalt bestreite, da das Einkommen, das aus dem vorgelegten Einkommensteuerbescheid hervorgehe, unterhalb des Regelsatzes liege. Natürlich hätte ich das Schreiben in die Tonne treten und auf das Wohngeld verzichten sollen. Aber ich brauchte es sehr dringend, und so versuchte ich zu erklären, warum mein Einkommen im letzten Jahr so niedrig ausgefallen war. Ich schrieb, dass ich für meinen Kleinverlag viel Geld in Druckkosten investiert und dafür sogar meine private Lebensversicherung beliehen hätte. Diese nicht amortisierten Kosten seien in die Steuererklärung eingeflossen, die insofern ein verzerrtes Abbild meiner Finanzlage biete.
Diese Erklärung brach mir endgültig den Hals. Die zuständige Sachbearbeiterin – dieselbe, die mich im letzten Jahr aufgrund zu hohen Einkommens abgewiesen hatte – ließ mich wissen, Druckkosten seien keine Aufwendungen für den täglichen Bedarf, und nach wie vor bleibe die Frage offen, wovon ich meinen Unterhalt bestreite. Und als ich sie fassungslos fragte, wie ich denn mit einem solchen Einkommen, das sie selbst zu niedrig fände, auch noch ohne Wohngeld auskommen sollte, meinte sie ungerührt, dann müsste ich eben zum Sozialamt gehen, das sei für eine wie mich der richtige Weg.
Ich wollte nicht glauben, dass Vater Sozialstaat mir eben deshalb, weil ich in besonders hohem Maße hilfsbedürftig war, die Unterstützung verweigerte, die er Bessergestellten anstandslos gewährte. Also brachte ich die Sache vor das Berliner Verwaltungsgericht, wo ich mit Pauken und Trompeten unterging. Es fand noch nicht einmal ein Kampf statt. Während die Anwältin der Gegenseite in lässig-siegessicherem Schweigen verharrte, erläuterten mir die Richter wortreich, warum ich kein Wohngeld beanspruchen dürfte. Keinem einzigen von ihnen kam auch nur entfernt der Gedanke an die Absurdität des Falls.
Meine erste Reaktion war schnaubende Empörung: Ich schmeiße hin! Ich marschiere zum Sozialamt, genauso wie es mir die Dame vom Wohngeldamt geraten hat, und lasse mich in Zukunft nur noch durchfüttern! Warum schufte ich mich so ab, wenn ich es als Sozialfall weitaus leichter hätte? Doch mit der Zeit hat sich die Wut gelegt und ist einer matten Verachtung gewichen. Sollen sie sich doch ihr Wohngeld in die Haare schmieren, sollen sie es doch denen geben, die es weniger nötig brauchen.
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