Bei den hier geschilderten drei Kriminalfällen geht es um ausländische Flüchtlinge, die deutsche Mädchen töteten. Es geht um die Motive, die sie bewegten, und es geht um das Echo, das ihre Taten einerseits in der Öffentlichkeit und andererseits in den Medien fanden. Die drei Morde waren nicht die einzigen Delikte dieser Art, aber es waren diejenigen, die das meiste Aufsehen erregten. Alle drei Täter kamen in den Jahren der sogenannten Flüchtlingskrise 2015-16 nach Deutschland, alle drei wurden als minderjährig eingestuft und demzufolge bei ungeklärtem Aufenthaltsstatus geduldet. Und alle drei waren, wenn auch in verschiedenen Nuancen, geprägt von einem archaischen Weltbild, das Frauen als minderwertig einstufte und ihre Tötung sanktionierte.

grab maria1. Maria und Hussein

In der Nacht zum 16. Oktober 2016 wurde in Freiburg die neunzehnjährige Medizinstudentin Maria Ladenburger ermordet. Als Täter ermittelte man den afghanischen Flüchtling Hussein Khavari, der als unbegleiteter und vermeintlich minderjähriger Asylsuchender im Jahr zuvor nach Deutschland eingereist war. Seiner eigenen Aussage zufolge hatte er den ganzen Abend Wodka getrunken und Haschisch geraucht, nebenbei auch mindestens drei Frauen sexuell belästigt. Gegen drei Uhr morgens saß er im Vollrausch am Ufer der Dreisam, als er Maria heranradeln sah, die auf dem Heimweg von einer Studentenfete war. Er trat gegen ihr Fahrrad, so dass sie stürzte, und würgte sie, da sie laut zu schreien begann, mit ihrem eigenen Schal bis zur Bewusstlosigkeit. Obwohl er sie zu diesem Zeitpunkt für tot hielt, wollte er sie vergewaltigen („Es hat mir nichts ausgemacht, mit einer Toten Sex zu haben."), brachte aber in seinem Zustand keine Erektion mehr zustande und missbrauchte sie lediglich mit der Hand, dies allerdings so brutal, dass schwerste innere Verletzungen im Vaginal- und Analbereich entstanden. Anschließend warf er Maria in die Dreisam, wo sie ertrank.

Bei den Ermittlungen kam Übles ans Licht: Schon einmal war Khavari zum Verbrecher geworden, auf Korfu in Griechenland, wo er vor Jahren um politisches Asyl gebeten hatte. Er raubte eine junge Studentin aus und stürzte sie anschließend über ein Geländer einen zehn Meter hohen Abhang hinunter, was sie nur mit viel Glück schwerverletzt überlebte. Dafür war er nach griechischem Jugendstrafrecht zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden. Doch im Zuge einer Amnestie konnte er auf Bewährung freikommen und nach Deutschland entwischen. Die griechischen Behörden hatten wegen des Verstoßes gegen die Bewährungsauflagen zwar landesweit nach ihm gefahndet, nicht aber auf internationaler Ebene, so dass man in Deutschland nichts von seinem kriminellen Vorleben ahnte. Auch in der europäischen Fingerabdruckbank EURODAC war Khavari entweder von den Griechen nicht erfasst oder von den Deutschen nicht geprüft worden. Zum Zeitpunkt des Mordes lebte er immerhin schon mehr als zehn Monate in Deutschland, ohne dass man über seinen Asylantrag entschieden hatte. Solche Pannen und Versäumnisse waren verzeihlich bei dem damaligen Flüchtlingsansturm; doch sie hatten eine junge Frau das Leben gekostet.

Und was für eine: Maria Ladenburger war ein schönes und begabtes Mädchen gewesen. Sie wuchs in Brüssel auf, wo ihr Vater als hoher EU-Beamter tätig war. Er soll sich – Ironie des Schicksals – besonders für eine humanitäre Flüchtlingspolitik eingesetzt haben. Auch Maria war neben ihrem Medizinstudium sozial engagiert, unter anderem in der Freiburger Flüchtlingshilfe. Nach Ansicht ihrer Bekannten hatte sie eine große Zukunft vor sich. In dem versoffenen, verdorbenen Afghanen, der dieses hoffnungsvolle Leben so profan und so sinnlos zerstörte, schien sich die Gefahr, die von den tagtäglich nach Deutschland strömenden Flüchtlingsmassen ausging, gewissermaßen zu symbolisieren.

Entsprechend heftig waren die Reaktionen unter den Freiburger Bürgern. Auf der einen Seite herrschte nackte Angst: Binnen weniger Tage war in ganz Freiburg das Pfefferspray restlos ausverkauft, und Selbstverteidigungskurse erlebten einen nie gekannten Boom. Zugleich aber machten sich Bürgerwut und heftigste Kritik an der Flüchtlingspolitik im Internet ungezügelt Luft. Die Freiburger Flüchtlingshilfe musste wochenlang ihre Internetseite sperren, weil sie mit einer wahren Flut von Beschimpfungen überrollt worden war.

Die offiziellen Medien waren in Verlegenheit, wie sie all das reflektieren sollten. Die übliche Praxis der Berichterstattung über derartige Vorkommnisse hatte bisher darin bestanden, die Herkunft der Täter schamhaft zu verschweigen. Böse Zungen nannten diese Praxis Zensur, doch selbstverständlich wurde sie mit hohen ethisch-moralischen Grundsätzen verbrämt, und diese waren im Pressekodex des Presserates festgeschrieben, einer freiwilligen (?) Selbstverpflichtung deutscher Journalisten, deren Richtlinie 12.1 besagte:

In der Berichterstattung über Straftaten ist darauf zu achten, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt. Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.

Wiederholt hat es Vorstöße gegeben, die Richtlinie 12.1, die geeignet ist, das Wort von der staatlich gelenkten „Lügenpresse“ zu begründen, ersatzlos aus dem Pressekodex zu streichen, allein der Presserat hält daran fest. Allerdings wurde die einst eherne Regel in der Praxis längst durchlöchert und aufgeweicht. Inzwischen weigern sich viele Zeitungen und Portale, sie anzuwenden, auch aus der Erwägung heraus, dass die Menschen, wenn die Herkunft eines Täters nicht genannt wird, sofort Lunte riechen und denken: Alles klar, das wird wohl wieder ein Ausländer sein. Außerdem entwickelt natürlich der Leser ein gesteigertes Interesse just an denjenigen Fakten, von denen er spürt, man wolle sie ihm verschweigen. Als ich neulich die Herkunft eines aktuellen Straftäters googeln wollte, zeigte mir der Algorithmus, dass genau diese Frage von den meisten Nutzern gestellt worden war.

Im Fall Maria Ladenburger konnte man sich beim besten Willen nicht auf das Fehlen eines begründeten öffentlichen Interesses berufen. Der Zusammenhang zwischen dem Mord und der Flüchtlingswelle sprang klar ins Auge; ebendaher rührte ja die Aufregung. Als die Tagesschau besonders schlau sein und den Mordfall einfach unterschlagen wollte – mit der treuherzigen Erklärung, er hätte doch "nur regionale Bedeutung“ –, hagelte es wütende Kritik. Der Druck aus der Bevölkerung war so groß, dass die Medien wohl oder übel berichten und sich positionieren mussten. Doch sie setzten dabei bestimmte Akzente: In keinem Bericht und keinem Kommentar fehlte die Warnung vor Pauschalverurteilungen ausländischer Mitbürger; dies hier sei lediglich ein Einzelfall. Auch wurde unermüdlich betont, dass es sich bei dem Tatverdächtigen um einen unbegleiteten und minderjährigen Flüchtling handele, der den Schutz des Jugendrechts beanspruchen könne.

Ob das zutraf, war jedoch von Anfang an fraglich, und als es um die juristische Aufarbeitung des Falles ging, rückte just diese Frage in den Fokus: Von ihr hing es ab, ob Khavari nach Jugend- oder nach Erwachsenenstrafrecht anzuklagen und zu verurteilen war. Er hatte bei der Einreise nach Deutschland beziehungsweise Griechenland keine Papiere vorgelegt, und seine eigenen Altersangaben waren extrem unwahrscheinlich. Ein Altersgutachten kam zu dem Schluss, dass er zur Tatzeit mindestens 21 Jahre alt gewesen war. Die Analyse eines gezogenen Weisheitszahns ergab sogar ein Alter von 25 Jahren. Wahrscheinlich war es dieser Zahn, der Khavari letztendlich überführte, denn das Gericht bezweifelte das Altersgutachten, forderte mehrfach neue an und tat sich überhaupt, aus welchen Gründen auch immer, äußerst schwer mit der Entscheidung, das Erwachsenenstrafrecht auf ihn anzuwenden. Khavari wurde vor der Jugendkammer des Landgerichts Freiburg angeklagt. Doch nach dem Zahngutachten und nachdem der Angeklagte selber eingeräumt hatte, dass er bei der Einreise nach Deutschland schon volljährig gewesen sei, blieb an seinem Erwachsenenstatus kein Zweifel. Das Gericht verurteilte ihn zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung und stellte die besondere Schwere seiner Schuld fest.

Es war meines Wissens das erste Mal, dass ein Gericht sich zu einem derart strengen Urteil über einen Flüchtling durchrang; doch das Experiment wurde gut angenommen. Die Zuschauer im Gerichtssaal klatschten Beifall, als das Urteil verlesen wurde, und die Presse tat es ihnen gleich. Hier eine Kostprobe aus der „Welt“:

Ein Grund, aufzuatmen. Denn damit widerlegte das Gericht all jene, die schon zu wissen meinten, der angeklagte Afghane werde sicher wieder billig davonkommen, wie angeblich so viele andere Straftäter auch.

Neben der Eindeutigkeit der Fakten war es sicher auch die Macht des Volkszorns, die eine solch radikale Abkehr vom bis dato praktizierten „Migrantenbonus“ möglich, ja erforderlich machte. Dabei hatte sich der Volkszorn in diesem Fall noch nicht mal zu voller Größe entfaltet. Die Bestie hatte zwar bedrohlich geknurrt, aber gesprungen war sie nicht. Das tat sie erst, als ein gutes Jahr später die fünfzehnjährige Mia Valentin in der rheinland-pfälzischen Stadt Kandel von einem Flüchtling ermordet wurde.

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